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Wer sollte so weltfremd sein, daß er nicht die Geschichte des bewundernswerten Markus1 und der Bewohner von Arethusa kennt und davon selbst noch besser zu berichten weiß? Da Markus unter der Regierung des trefflichen Konstantius auf Grund der damals den Christen eingeräumten Freiheit einen Götzentempel zerstört und viele vom heidnischen Irrtum zum christlichen Heile bekehrt hatte, und zwar sowohl infolge seines reinen Lebenswandels, als auch durch die Kraft seiner Rede, erntete er in reichlichem Maße den Zorn der Bewohner von Arethusa, vor allem aber den Zorn der Götzenfreunde. Als sich aber die Lage der Christen wieder änderte und die der Heiden sich allmählich wieder günstiger gestaltete, floh er doch nicht vor der Macht der Zeitverhältnisse. Mag das Volk auch eine Zeitlang seinen Groll niederhalten gleich dem Feuer, S. 128 das in der Materie eingeschlossen ist, oder gleich einem mit Gewalt eingedämmten Strome, aber, sobald die Gelegenheit günstig ist, wird es leicht Feuer und Flamme und revoltiert gerne. Da nun Markus sah, daß das Volk sich gegen ihn wandte und daß es nichts Geringes im Schilde führte, dachte er zunächst an Flucht, jedoch nicht aus Feigheit, sondern vielmehr wegen des Gebotes2, von einer Stadt zur anderen zu fliehen und den Verfolgern zu entrinnen. Mögen Christen auch noch so kühn und mutig sein, so dürfen sie doch nicht einzig an sich denken, sie müssen vielmehr auch die Verfolger schonen, dürfen nicht ihrerseits die Gefahr der Feinde vergrößern3. Als jedoch Markus merkte, daß viele seinetwegen belästigt und gefangengenommen werden und viele infolge der Grausamkeit der Verfolger auch an ihrer Seele Schaden leiden, ließ ihm das Bewußtsein, daß seine eigene Sicherheit anderen Gefahr bringe, keine Ruhe, und er faßte den Plan eines echten Helden und Philosophen. Er kehrte aus seinem Verstecke zurück und lieferte sich der Willkür des Volkes aus. Er nahm es mit der bösen Zeit auf. Was fehlte damals noch an Schrecken! Was war nicht an Furchtbarem ausgedacht worden! Denn jeder ersann wieder andere Mittel für das eine Ziel der Verfolgung. Nicht einmal vor dem heldenhaften Verhalten dieses Philosophen — geschweige denn vor sonst etwas — hatten die Bedränger Achtung. Ja, sie waren gerade darüber besonders erbittert; denn seine Rückkehr hielten sie nicht für Heldenmut, sondern für Verachtung ihrer Person.
