107.
[Forts. v. S. 143 ] Hast nur du das Recht des Hellenisierens? Gib Antwort auf folgende Fragen! Stammen die Buchstaben nicht von den Phöniziern oder, wie manche meinen, von den Ägyptern oder von den Hebräern, die noch weiser als diese sind und glauben, daß Gott sein Gesetz auf eigenhändig geschriebenen Tafeln gegeben hat? Kommt von dir das ἀττικίζειν [attikizein]? Von wem kommt das Brettspiel, das Zählen, das Rechnen mit Fingerbreite, von wem die Maße und Gewichte und aus noch früherer Zeit die Feldherrn- und Kriegskunst? Nicht etwa von den Euböern, da ja aus Euböa Palamedes stammte, der wegen seiner vielseitigen Erfindungen Neid erregte, wegen seiner Weisheit zur Rechenschaft gezogen und von denen, die nach Ilion fuhren, verurteilt wurde? Wie nun? Wenn die Ägypter, die Phönizier und die Hebräer, von deren Bildung wir profitieren, wenn die Bewohner der Insel Euböa, deinen Grundsätzen entsprechend, auf ihre Erfindungen als ihr (alleiniges) Eigentum Anspruch erheben, was werden wir tun? Was können wir noch ihnen gegenüber geltend machen, wenn wir uns durch unser eigenes Verhalten gebunden haben? Sind wir nicht vollständig gezwungen, auf ihre Erfindungen zu verzichten und das Schicksal der Dohle zu teilen1, d. h. die fremden Federn zu verlieren, um nackt und geschändet zu sein?
Vgl. Horaz, Epist. I. 3, 18 ff.: Ne, si forte suas repetitum venerit olim Grex avium plumas, moveat cornicula risum Furtivis nudata coloribus. ↩
