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Zugegeben, daß wir in dieser Beziehung Anstoß erregen, doch wie willst du dein Recht auf die Wissenschaft beweisen? Wenn du auch Anspruch darauf erhebst, aber wie kannst du in deiner Torheit bestimmen, daß wir davon ausgeschlossen sind? Wem gehört die Weisheit des Hellenisierens1? Und in welchem Sinn wird das Hellenisieren verstanden? Ich will dir, da du dich ja an doppelsinnige Worte hältst, die Bedeutung des Wortes auseinanderlegen und dartun, daß wir bald durch ein und dasselbe Wort Verschiedenes, bald durch verschiedene Worte das gleiche lehren, bald auch durch verschiedene Worte Verschiedenes. Du wirst sagen, daß unter Hellenisieren bald ein Kultus, bald natürlich ein Volk und die, welche zuerst die Kraft der Sprache erfunden2 haben, zu verstehen sind. Nehmen wir das Wort im Sinne von Kultus, dann zeige uns, wo und bei welchen Priestern das Hellenisieren Gesetz war, so wie es Vorschrift war, gewisse Gaben gewissen Dämonen zu opfern! Nicht bestand nämlich nach euren Opferlehrern und Ceremoniaren die Vorschrift, daß alle die gleichen Opfer oder daß einer alle (verschiedene) Opfer S. 141 darbrachte und daß sie auf die gleiche Weise erfolgten. Wie die Verfluchung des Ochsenfressers (Herakles)3 bei den Lindiern, die durch seine Beschimpfung Gott zu ehren glaubten, religiöser Brauch war, die Ermordung von Fremden bei den Tauriern, die Geißelungen am Altare bei den Lacedämoniern, die Verstümmelungen unter betäubendem Flötenklang nach erschlaffenden Tänzen bei den Phrygiern, Päderastie bei anderen, bei anderen Unzucht4 und ― um nicht alles aufzuzählen ― noch andere Untaten bei anderen Mysterien, war etwa ebenso auch das Hellenisieren (als Kultus) nur für gewisse Götter und Dämonen bestimmt? Wäre es eine solche Spezialität gewesen, dann könnte man, gerade weil das Gemeinsame nur einem eurer Götter und Dämonen zugeschrieben wurde, noch nicht von Hellenisieren reden; es werden ja auch die vielen Opfer, die gemeinsam sind, durch (allgemeine) Gesetze geregelt.
