2.
Es haben nämlich manche, weil sie die Welt mehr als den Weltschöpfer bewunderten, jene für unerschaffen und ewig erklärt, (Die Worte sind hauptsächlich gegen Aristoteles gerichtet, der in Übereinstimmung mit älteren griechischen Philosophen die Anfangslosigkeit und Ewigkeit der Welt behauptete. In der Schrift „über die Unzerstörbarkeit der Welt" verteidigt Philo ausführlich die mit der Lehre Platos und der Stoiker übereinstimmende biblische Anschauung von der Erschaffung der Welt. Zum Gedanken vgl. Weishl. Sal. XIII 3 ff.) diesem aber, Gott nämlich, in unfrommer Weise völlige Untätigkeit angedichtet, während sie im Gegenteil dessen Macht als die eines Schöpfers und Vaters anstaunen mussten und nicht die Welt über alles Mass verherrlichen durften. Moses aber, der bis zum höchsen Gipfelpunkt der Philosophie vorgedrungen und durch göttliche Offenbarungen über die meisten und wichtigsten Dinge der Natur belehrt worden ist, erkannte sehr wohl, dass in den existierenden Dingen das eine die wirkende Ursache, das andere ein Leidendes sein muss, und dass jenes Wirkende der Geist des Weltganzen ist, der ganz reine und lautere, der besser ist als Tugend, besser als Wissen, besser als das Gute an sich und das Schöne an sich, dass das Leidende dagegen an und für sich unbeseelt und unbeweglich ist, nachdem es aber von dem Geiste bewegt und gestaltet und beseelt worden, in das vollendetste Werk, in diese (sichtbare) Welt, sich verwandelte (Die Unterscheidung der zwei Weltprinzipien, der wirkenden Ursache und der passiven Materie, ist stoische und pythagoreische Anschauung. Die Weltschöpfung ist bei Philo nicht (wie in der Bibel) eine Schöpfung aus dem Nichts, sondern eine Weltbildung (ebenso Weishl. Sal. XI17). Wenn Philo an andern Stellen die Schöpfung aus dem μή ov d. hl. dem Niehtseienden geschehen lässt, so versteht er mit Plato unter dem μή ov nicht das absolute Nichts, sondern das was in keiner bestimmten Form vorlag d. hl. die formlose leblosse Materie, die erst durch Gott Form, Leben und wirkliches Sein erhält. Unter den jüdischen Religionsphilosophen des Mittelalters vertritt denselben Standpunkt Levi b. Gerson (Gersonides), während Maimonides an der Schöpfung ex nihilo streng festhält. Ebenso ist die Gleichstellung der wirkenden Ursache (Gott) mit dem Geist des Weltalls (vouς των όλων), der Weltseele, stoischl. „Rein und lauter" ist der νους im Gegensatz zur Kreatur, die aus Mischung besteht.). Die aber von der Welt behaupten, dass sie unerschaffen sei, merken nicht, dass sie das nützlichste und notwendigste der zur Gottesverehrung führenden Dinge beseitigen, nämlich die Vorsehung. Denn dass der Vater und Schöpfer um das Geschaffene sich kümmert, lehrt die Vernunft; denn ein Vater hat doch die Erhaltung seiner Kinder im Auge, ein Künstler die Erhaltung seiner Kunstwerke; mit allen Mitteln wehrt er ab, was ihnen nachteilig und schädlich ist, und alles Nützliche und Zuträgliche sucht er auf jede Weise herbeizuschaffen. Zu dem Nichtgewordenen dagegen hat derjenige, der nicht geschaffen hat, keinerlei Beziehung (d. hl. mit anderen Worten: wenn die Welt nicht geschaffen ist, dann gibt es auch keine Vorsehung. Die Polemik richtet sich gegen die Lehre der Epikureer, die eine Vorsehung leugneten.). Wertlos aber und unnütz ist die Ansicht, die in dieser Welt wie in einem Staate Anarchie annimmt, so dass sie keinen Aufseher, Lenker oder Richter hätte, von dem alles gerechter Weise regiert and geleitet werden muss. Der grosse Moses dagegen erkannte, dass das Ungewordene (Ewige) zu dem Sichtbaren ganz und gar nicht passt; denn alles mit den Sinnen Wahrnehmbare ist im Werden und in Veränderung und bleibt niemals in demselben Zustand; er schrieb daher dem Unsichtbaren und nur Gedachten als verwandte Eigenschaft die Ewigkeit zu, während er dem sinnlich Wahrnehmbaren den ihm zukommenden Namen Genesis (Werden, Schöpfung) zuerteilte. Da nun diese Welt sichtbar und sinnlich wahrnehmbar ist, so ist sie notwendigerweise auch geschaffen; deshalb hat Moses mit Recht auch die Erschaffung der Welt beschrieben und in sehr würdiger Weise diese göttlichen Dinge behandelt.
