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Indem er nun die Reihenfolge festhält und auf die Verbindung des Folgenden mit dem Vorhergehenden genau achtet, sagt er weiter: „Eine Quelle aber stieg auf von der Erde und tränkte die ganze Oberfläche der Erde" (1 Mos. 2,6) (In den Worten 1 Mos. 2,6 sieht Philo wiederum nur eine Wiederholung von 1 Mos. 1,9.10 (Scheidung von Meer und Erde und Unterscheidung von Meerwasser und Süsswasser). Die folgenden Ausführungen § 131 —133 sind daher im wesentlichen auch nur eine Wiederholung des Gedankens, der bereits § 38 erörtert ist.). Die Philosophen behaupten, sämtliches Wasser sei eins von den vier Elementen, aus denen die Welt geschaffen wurde. Moses aber, der gewohnt ist, selbst das Fernliegende mit schärferen Augen gründlich zu betrachten und zu erfassen, hält für ein Element und für den vierten Teil des Weltganzen nur das grosse Meer (das salzhaltige Wasser), das die Späteren Ocean nennen, in dem, wie sie glauben, unsere schiffbaren Meeresflächen nur etwa die Grösse von Häfen haben (Im Verhältnis zu der grossen Ausdehnung des Oceans nehmen sich die im Altertum am besten bekannten Teile des Mittelländischen Meeres wie Häfen oder Buchten aus.); das süsse und trinkbare Wasser aber unterschied er von dem Meerwasser, rechnete es zur Erde und sah es als einen Teil der Erde, nicht des Meeres, an, (und zwar ist es dies) aus dem schon früher erwähnten Grunde, damit die Erde durch die süsse Beschaffenheit (des Wassers) nach Art eines kittenden Leimes wie durch ein festes Band zusammengehalten werde; denn wäre sie trocken geblieben und nicht eine Flüssigkeit hinzugekommen, die vielfach gespalten durch die Poren drang, so wäre sie auseinandergefallen. Sie wird aber eben zusammengehalten und besteht dauernd teils durch die Macht des verbindenden Lebensodems, teils, weil die Flüssigkeit es nicht zulässt, dass sie völlig austrocknet und in kleine und grosse Bruchstücke zerfällt. Dies ist ein Grund; ich muss aber noch einen andern erwähnen, der die Wahrheit wie das Ziel trifft. Keines der Erdgeborenen kann ohne feuchte Substanz bestehen: das beweist die Ergiessung des Samens, der doch entweder feucht ist, wie bei den Lebewesen, oder nicht ohne Feuchtigkeit keimt, wie der Pflanzensame. Hiernach ist es klar, dass die erwähnte flüssige Substanz notwendigerweise ein Teil der Erde, der alles gebärenden, ist, wie bei den Frauen der Fluss der monatlichen Reinigung; denn diese bildet, wie die Naturforscher behaupten, die körperliche Substanz des Foetus. Mit dem Gesagten steht auch folgendes im Einklang: jeder Mutter gab die Natur als notwendigen Teil quellende Brüste, indem sie damit die Nahrung für den zukünftigen Sprössling vorbereitete; eine Mutter aber ist natürlich auch die Erde; darum schien es auch den Alten gut, ihr den aus Meter und Ge zusammengesetzten Namen Demeter (Der Name der Göttin Demeter wurde gewöhnlich von δή und μήτηρ (Mutter) abgeleitet.) (Mutter Erde) zu geben. Denn, wie Plato (Plato Menex. 238a.) sagt, nicht ahmt die Erde das Weib nach, sondern umgekehrt das Weib ahmt die Erde nach, die die Dichter mit Recht die Allmutter, die Fruchttragende, die Allgeberin zu nennen pflegen, da sie die Urheberin der Entstehung und des Bestehens aller Lebewesen und Pflanzen ist. Vernünftigerweise hat nun die Natur auch der Erde, der ältesten und fruchtbarsten aller Mütter, gleichsam Brüste gegeben, nämlich die Fluten der Ströme und Quellen, damit die Pflanzen bewässert würden und alle Lebewesen reichlich zu trinken hätten.
