Dreißigstes Kapitel. Honorius will nach Ravenna. Tumult des Sarus.
S. 161 1. Auf diese Art brachte Stilicho den Frieden mit Alarich zu Stande, und eilte, abzureisen, um seine Entwürfe auszuführen. 2. Der Kaiser aber erklärte, er wolle auch von Rom nach Ravenna sich begeben, um das Heer zu sehen, und es liebreich anzureden, da ein so mächtiger Feind bis in Italien hereingezogen seye. 3. Dieses sagte er nicht aus eigener Bewegung, sondern auf den Rath Serenas. 4. Denn sie wünschte, er möchte in einer sicheren Stadt wohnen, damit ― im Fall Alarich den Frieden bräche, und Rom überfiele ― nicht auch der Kaiser in seine Gewalt käme. 5. Denn ihn zu erhalten, war sie desto mehr bedacht, da von seiner Sicherheit auch ihr Wohl abhieng. 6. Stilicho aber zeigte sich abgeneigt, den Kaiser aus Rom reisen zu lassen, und erdachte allerhand Hindernisse. 7. Da der Kaiser nicht nachgab, sondern auf der Reise beharrte, so erregte Sarus, ein Barbar von Geburt, der die Schaaren der Barbaren in Ravenna anführte, auf Stilichos Rath, einen Tumult in der Stadt, nicht in der Absicht die Staatsverfassung wirklich zu beunruhigen, sondern um den Kaiser zu schröcken, und von der Reise nach Ravenna abwendig zu machen. 8. Doch gieng Honorius von seinem Entschlusse nicht ab. Justinianus aber, der ein vorzügliches Mitglied des S. 162 Kollegiums der Advokaten, und von Stilicho als Beisitzer und Rath gewählt worden war, schien durch seinen Scharfsinn errathen zu haben, was die Absicht der Reise des Kaisers seyn mochte, und daß die Soldaten in Ticinum gegen den Stilicho nicht gut gesinnt waren, dieser also in die äußerste Gefahr gerathen werde, wenn der Kaiser dahin käme. Daher fuhr er fort, den Kaiser zu ermahnen, daß er von dieser Reise abstehe. 9. Als er aber sahe, daß der Kaiser dem Rathe Stilichos nicht gehorchte, so entfernte er sich, aus Furcht, er möchte wegen seines vertrauten Umgangs mit Stilicho in sein Schicksal verwickelt werden.
