Zwei und dreißigstes Kapitel. Honorius und Theodosius. Aufruhr der Soldaten.
[J. 408.] 1. So stunds mit Stilicho, der sich keines feindseligen Entwurfs weder gegen den Kaiser noch gegen die Soldaten bewußt war! 2. Aber ein gewisser Olympius, aus der Gegend des Pontus Euxinus, der mit einer glänzenden Befehlshaberstelle im Pallaste beehrt war, und unter dem S. 165 Scheine christlicher Frömmigkeit viele Boßheit verbarg, durfte den Kaiser, wegen geheuchelter1 Anhänglichkeit an ihn, öfters unterhalten, und ließ, mit dem Dichter zu reden,
gegen den Stilicho fließen2, unter andern, seine Reise in den Orient habe er darum betrieben, um den jungen Theodosius aus dem Wege zu räumen, und das Reich seinem Sohne Eucherius zu übertragen. 3. Sich in solche Reden zu ergießen, hatte er unterwegens viele Gelegenheit. Als nun der Kaiser in Ticinum war, besuchte Olympius die kranken Soldaten — ein Hauptpunkt seiner geheuchelten Mäßigung! ― und streuete auch unter ihnen dergleichen böße Reden aus. 4. Nur vier Tage hernach, als Honorius in Ticinum angekommen war, rief der Kaiser die Soldaten vor sich, zeigte sich ihnen, und ermunterte sie zum Kriege gegen den Tyrannen Konstantin. 5. Als aber wegen Stilichos niemand sich regte, so sahe man den Olympius den Soldaten winken, wie wenn er sie an das erinnerte, was er ihnen ingeheim gesagt hatte — 6. und nun kamen sie wie ausser sich, und morden den Limenius, Präfekt bei den Völkern jenseits der Alpen, mit ihm den Chariobaudes, Feldherrn der dortigen S. 166 Legionen. 7. Denn diese waren dem Tyrannen entgangen, und zum Kaiser nach Ticinum gekommen. 8. Nebst diesen wurden hingeschlachtet Vincentius und Salvius, dieser Anführer der Reuterei, jener aber Vorsteher der inneren Angelegenheiten des Pallasts. 9. Der Aufruhr nahm immer zu, und der Kaiser entwich in seinen Pallast. Einige der Anführer entflohen. Die Soldaten aber zerstreueten sich durch die ganze Stadt, tödteten so viele Anführer, als sie konnten, und rissen einige aus den Häusern, in die sie sich gerettet hatten, auch plünderten sie hierauf die Stadt. 10. Da nun das Uebel nicht mehr anders zu heilen war, warf der Kaiser nur ein Unterkleid um sich, erschien ohne Oberrock und Diadem mitten in der Stadt, und vermochte nur mit vieler Mühe, dem Unsinn der Soldaten Einhalt zu thun. — Auch diejenigen Obersten, die auf der Flucht gefangen worden waren, wurden niedergemacht — Nämorius, Oberster der Leibwache, und Petronius, der Schatzmeister, der auch das Privatvermögen des Kaisers verwaltete — ferner Salvius, der das Amt hatte, die Befehle des Kaisers abzufassen — seit den Zeiten Konstantins nennt man ihn Quästor. Ob er gleich die Knie des Kaisers umfaßte, konnte er doch dem Tode nicht entrinnen. 11. Der Aufruhr dauerte bis an den späten Abend. Der Kaiser fürchtete zuletzt für sich selbst, und entwich deßwegen. Nun fanden die Soldaten noch den Longinianus, Präfekt der Leibwache in Italien, und S. 167 mordeten auch ihn. 12. Diese mancherlei Vorgesetzten wurde ein Opfer des Unsinns der Soldaten. Durch Zufälle kam eine solche Menge um, die man nicht leicht in Zahlen bestimmen kann.
