1.
S. 20 Noch nicht drei oder vier Tage sind es her, da die Kunde von einer unerträglichen Heimsuchung mich erschütterte. Und noch blieb ich im Zweifel, da der Bote des Unglücks das Geschehnis nicht genau erzählen konnte. Auch deshalb stand ich dem Gerücht ablehnend gegenüber, weil ich dessen Bestätigung verwünschte. Da erhielt ich vom Bischof ein Schreiben, das den traurigen Vorfall genau mitteilte. Wie sehr ich darob geseufzt, wieviele Tränen ich vergossen, — wozu es auch sagen? Denn wer hätte ein so steinern Herz, wer eine so ganz unmenschliche Natur, daß er den Vorfall gleichgültig aufnähme, oder auch ein nur mäßiger Schmerz seine Seele ergriffe? Der Stammhalter eines glänzenden Hauses, die Stütze der Familie, die Hoffnung des Vaterlandes, der Sprosse gottesfürchtiger Eltern, unter tausend Wünschen erzogen, ward mitten in der Blüte seiner Jahre den Armen seines Vaters entrissen und ist nun dahingegangen. Wer wäre so diamanthart, daß ihn dies Unglück nicht erweichte und zum Mitleid rührte! Daher ist es nichts Besonderes, wenn auch uns dieser Schlag erschütterte, uns, die wir von Anfang an innig mit Euch verwachsen sind und Freud und Leid mit Euch teilen. Wohl schien wenigstens bis zur Gegenwart Euch nur Weniges zu betrüben, fast alles Euch nach Wunsch zu gehen. Aber mit einem Male ist durch des Teufels Neid1 dieses ganze häusliche Glück und der Frohsinn verschwunden; für das Leben sind wir eine traurige Geschichte geworden. S. 21 Wollten wir nun über die Heimsuchung trauern und weinen, die Lebenszeit würde uns nicht reichen; wenn alle Menschen mit uns seufzten, sie würden mit ihrer Trauer das Weh nicht erschöpfen können. Ja, würden selbst die Fluten der Ströme zu Tränen, sie wären nicht genug für den Jammer über das Unglück.
Vgl. Luk. 13, 16. ↩
