2.
Wenn wir aber jetzt von der Gabe Gottes, die er in unsere Herzen gelegt hat, Gebrauch machen wollen, ich meine von der Vernunft, die in guten Tagen unserer Seele Maß und Ziel zu setzen und bei schmerzlichen Vorkommnissen an menschliches Los zu erinnern weiß, und uns zum Bewußtsein bringen kann, was wir selbst sahen und hörten, daß nämlich das Leben angefüllt ist mit solchen Leiden, und daß es für dieses Los viele Beispiele gibt, die uns vor allem zum Bewußtsein bringen kann, daß es ein Gebot Gottes ist, daß die Christusgläubigen bei ihrer Hoffnung auf die Auferstehung nicht trauern sollen über die Entschlafenen, und daß beim Vergelter für große Geduld große Ruhmeskränze hinterlegt sind, wenn wir von der Vernunft uns dies zuraunen lassen, dann dürften wir bald eine mäßige Linderung im Schmerze finden. Daher ermahne ich Dich als wackern Kämpfer, trotz der Größe des Schlages aufrecht zu bleiben, nicht zusammenzubrechen unter der Wucht des Schmerzes, nicht außer Fassung zu kommen, überzeugt davon, daß wir, auch ohne die Gründe für die Anordnungen Gottes zu kennen, uns jedenfalls in das schicken müssen, was er in seiner Weisheit und Liebe über uns verfügte, mag es auch opfervoll sein. Er weiß ja zu geben, was jedem frommt, und weshalb er unserm Leben ungleiche Grenzen setzt. Es gibt ja auch einen uns Menschen verborgenen Grund, weshalb die einen rascher von hinnen scheiden, die andern aber zu längerem Leiden in diesem Leben der Tränen zurückbehalten werden. Daher müssen wir in allem seine Liebe anbeten und dürfen nicht unwillig werden, eingedenk jenes großen, bekannten Wortes, das der große Kämpfer Job gesprochen, der bei einem Mahle zehn Kinder in kurzem Augenblick hinweggerafft sah, jenes Wortes: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; wie es dem Herrn S. 22 gefallen, so ist es geschehen1.” Diesen Wahlspruch wollen wir zum unsrigen machen; gleichen Lohn erhält vom gerechten Richter, wer durch gleich herrliche Taten sich auszeichnet. Wir wurden des Sohnes nicht beraubt; wir haben ihn dem zurückgegeben, der ihn uns geliehen. Er hat das Leben nicht verloren, sondern mit dem besseren vertauscht. Nicht hält die Erde unsern Geliebten geborgen, sondern der Himmel hat ihn aufgenommen. Warten wir nur ein wenig, und wir werden bei dem Ersehnten sein. Nicht lange währt die Zeit der Trennung, da wir ja alle in diesem Leben wie auf einer Reise zur selben Herberge eilen: der eine ist zuerst dahin aufgebrochen, der andere ist nachgefolgt, der dritte ist auf dem Wege dahin, — alle wird dasselbe Ziel aufnehmen. Hat er auch schneller den Weg zurückgelegt, wir alle werden denselben gehen; aller harrt dieselbe Herberge. Nur möge es uns gelingen, auf dem Wege der Tugend seiner Reinheit gleichzukommen, damit wir für einen unschuldigen Wandel dieselbe Ruhe finden wie die, die in Christus Kinder sind.
Job 1, 21. ↩
