5.
Frage Dich selbst! Wie oft hast Du uns im Kloster am Irisfluß besucht, da der gottliebende Bruder Gregor bei mir war und mit mir dieselbe Lebensweise teilte? Hast Du je etwas dergleichen gehört oder auch nur eine mehr oder weniger starke Andeutung dahin vernommen? Und wieviele Tage haben wir im Dorfe jenseits des Flusses bei meiner Mutter1 verlebt, wo wir als Freunde miteinander verkehrten und Tag und Nacht uns miteinander unterhielten. Wurden wir etwa da mit einer solchen Gesinnung befunden? Als wir sodann zusammen den seligen Silvanus2 besuchten, haben wir nicht auf dem Wege uns mit derlei Reden unterhalten? Und war zu Eusinoe3, da Ihr mit mehreren Bischöfen nach S. 264 Lampsakus4 reisen wolltet und mich dahin einludet, nicht vom Glauben die Rede? Waren nicht die ganze Zeit Deine Schnellschreiber bei mir, als ich gegen die Häresie diktierte? Waren nicht Deine getreuesten Schüler die ganze Zeit über um mich? Habe ich nicht, da ich die Klöster besuchte und mit den Brüdern die Nacht im Gebete zubrachte und die Fragen über Gott stets leidenschaftslos besprach und anhörte, klare Beweise meiner Gesinnung an den Tag gelegt? Wie kam es nun, daß diese lange Erfahrung weniger zu besagen schien als dieser schwache und hinfällige Verdacht? Wer hätte denn mehr wie Du ein Zeuge meiner Gesinnung sein sollen? Was wir zu Chalzedon5 als unsern Glauben bekannt haben, was oft zu Herakles6, was früher in der Vorstadt von Cäsarea, stimmt das nicht alles überein, harmoniert das nicht miteinander? Nur war, wie gesagt, dank des Fortschrittes in unsern Reden eine gewisse Bereicherung wahrzunehmen, was aber keine Veränderung vom Schlechtem zum Bessern ist, sondern eine Ergänzung des Fehlenden durch den Zuwachs an Kenntnissen. Warum beherzigst Du sodann nicht auch das, daß der Vater nicht für die Sünde des Sohnes noch der Sohn für die Sünde des Vaters die Verantwortung tragen soll, daß vielmehr jeder in seiner eigenen Sünde sterben wird7? Der aber, der bei Dir im Verrufe steht, ist mir weder Vater noch Sohn; denn er war weder mein Schüler noch mein Lehrer. Wenn aber die Sünden der Eltern den Kindern als Vergehen angerechnet werden müssen, dann ist es weit gerechter, die Vergehen des Arius auch seinen Schülern zuzurechnen. Und wenn einer den ketzerischen Aetius erzeugt hat, so sollen die Vergehen des Sohnes auf das Haupt des Vaters zurückfallen. Ist es aber Unrecht, dieserhalb jemand anzuklagen, so entspricht es doch wohl noch weit mehr der Gerechtigkeit, daß wir für die, die uns nichts angehen, keine Rechenschaft schulden, S. 265 wenn sie überhaupt je gesündigt, wenn sie irgend etwas Verdammenswertes geschrieben haben. Man muß mir doch verzeihen, wenn ich den Aussagen über sie nicht glaube, weiß ich doch aus eigener Erfahrung, wie stark der Ankläger Hang zur Verleumdung ist.
