3.
Weiter sollst Du Deine Verwandten nicht mehr als den Herrn lieben. „Denn wer seinen Vater oder seine Mutter oder seinen Bruder”, sagt er, „mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert1.” Und was will das Gebot S. 85 des Herrn: „Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, der kann mein Jünger nicht sein2”? Bist Du aber in Christus Deinem leiblichen Verwandten abgestorben, warum willst Du wieder in ihren Kreis zurückkehren? Bauest Du aber das, was Du um Christi willen niedergerissen hast, Deiner Verwandten wegen wieder auf, so machst Du Dich selbst zum Übertreter. Darum verlaß nicht Deine Stätte aus Verwandtenrücksicht! Denn wenn Du Deine Stätte verlässest, dann gibst Du vielleicht auch Deine Lebensweise auf. Liebe nicht den großen Haufen, nicht das Land, nicht die Stadt, sondern liebe die Einöde. Bleib immer für Dich und laß Dich nicht stören! Gebet und Psalmengesang halte für Deine Aufgabe! Vernachlässige die Lektüre nicht, zumal die des Neuen Testamentes; aus der Lektüre des Alten Testamentes erwächst ja gern ein Nachteil, nicht weil Schädliches darin steht, sondern weil der Geist derer, die Schaden nehmen, schwach ist. Alles Brot ist nahrhaft, aber den Schwachen nicht zuträglich. So ist auch „die ganze Schrift von Gott eingegeben und nützlich3”, und nichts Gemeines ist in ihr enthalten, etwas Gemeines höchstens für den, dem es das dünkt. „Prüfe alles, das Gute behalte; meide jeden bösen Schein4!” Denn „alles ist erlaubt, aber nicht alles frommt5”. Sei denen, die mit Dir verkehren, in keiner Weise ein Ärgernis6, sei stets fröhlich, liebe die Brüder, sei freundlich und herablassend7, verfehle den Zweck der Gastfreundschaft nicht durch einen Luxus bei Tisch! Sei zufrieden mit dem, was du augenblicklich hast, nimm von niemand mehr an als was das tägliche Bedürfnis eines Einsiedlerlebens erfordert! Besonders flieh das Geld, den Feind der Seele, den Vater der Sünde und Handlanger des Teufels! Mach Dich nicht unter dem Vorwande des Dienstes an den Armen der Habsucht schuldig! Bringt Dir aber jemand Geld für die Armen, und kennst Du Notleidende, S. 86 so gib dem, dem das Geld gehört, den Rat, selbst unter die dürftigen Brüder zu verteilen, damit nicht etwa die Annahme des Geldes Dein Gewissen beflecke.
