Nr. 56
Was sonst noch in Untersuchung und Frage pflegt gezogen zu werden, durch welche Urheber sie entstanden oder durch welche Verwalter sie sind, bemühen wir uns weder zu wissen, noch tragen wir Sorge zu erforschen und aufzuspüren; wir überlassen Alles seinen Ursachen und urtheilen, nicht daß wir darnach forschen sey es uns verbunden und zugefügt: denn was wagt nicht der menschliche Witz durch den Eifer des Widerspruches zu erschüttern, zu zertrümmern, obschon, was er zu entkräften unternimmt, rein und lauter, durch der Wahrheit Besiegelung erkräftigt ist? Oder hinwieder, was kann er nicht durch wahrscheinliche Argumente vertheidigen, obschon es offenbar falsch, gleichsam augenscheinlich und handgreiflich lügenhaft ist? denn da er sich überredet hat, welcher Art Etwas sey oder nicht sey, so beliebt er seine Meinung zu vertheidigen und durch Scharfsinn Andere zu übertreffen; insbesondere wenn es sich um hochgelegene, verborgene und in Finsterniß eingehüllte Zustände der Natur handelt. Einige Weise nehmen an, die Welt sey weder geschaffen noch werde sie irgend wann zu Grunde geben; manche, sie sey unsterblich, obwohl sie ihr Erschaffung und Entstehung zuschreiben. Wieder anderen beliebt zu sagen, sie sey sowohl erschaffen und entstanden, als sie werde auch der gewöhnlichen Nothwendigkeit infolge zu Grunde gehen. Da nun unter diesen drei Meinungen eine nothwendig wahr seyn muß, dennoch mangeln allen die Beweise nicht, durch welche sie sowohl ihre Sätze bekräftigen, als auch die Ansprüche der Anderen niederwerfen und zu Schanden machen. Eben diese Welt lassen Einige aus vier Elementen bestehen, Andere aus zwei und die Dritten aus einem. Es finden sich Andere, welche sagen, sie bestehe aus keinen Elementen, sondern die untheilbaren Körper derselben seyen der Urstoff und der Uranfang. Insofern auch hier Eine Meinung die wahre oder keine derselben gewiß ist, auf gleiche Weise sind hier ebenfalls Allen die Beweise zur Hand, mittelst welcher sie das von ihnen Ausgesagte als wahr feststellen und die in der Anderen Meinungen befindlichen Unrichtigkeiten darthun. So leugnen auch Manche das Seyn der Götter; Andere sagen geradehin, es sey zweifelhaft, ob sie irgend seyen; Andere aber geben ihre Existenz zu, doch ohne Sorge für die Menschheit; ja wieder Andere beweisen, daß sie sich der Sterblichen annehmen und die irdischen Dinge leiten.
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