Nr. 64
Aber, sagt ihr, kam Christus als der Retter des menschlichen Geschlechtes, warum hat Er nicht Alle mit gleicher Mildthätigkeit befreit? Befreit nicht auf gleiche Weise, wer auf gleiche Weise Alle ruft? oder stößt der irgend Jemand von der obersten Güte zurück, welcher den Höchsten, den niedrigsten Sklaven, Weibern, Kindern, gleiche Gelegenheit giebt zu ihm zu kommen? Allen steht die Lebensquelle offen, heißt es, und Niemand wird das Recht zu trinken versagt. Wenn du einen solchen Eckel hast, daß du die Wohlthat der dir zugekommenen Gabe verwirfst; ja wenn du so sehr an Weisheit hervorragst, daß du, was Christus darbietet, Possen und Albernheiten nennst: wie fehlt der, indem er einladet, wider dich, dessen alleinige Obliegenheit darin besteht, daß er dem Gutbefinden deiner Macht den Genuß seiner Güte unterlegt? Gott ist bei der Wahl des Lebens frei der Schuld, sagt Platon (vom Staate S. 617, Stephan.); und nicht kann eines Anderen Willen irgend Jemand füglich Schuld gegeben werden, insofern die Willensfreiheit in desselben Macht gegeben ist, der wollte. Sollst du etwa gebeten seyn, die Wohlthat des Heiles von Gott zu empfangen dich zu würdigen, und soll dir die Gnade des göttlichen Wohlwollens in den Schooß geschüttet werden? Willst du das Angebotene nehmen und zu deinem Vortheil verwenden? Ueberlege zu deinem eigenen Besten. Verschmähst, verachtest, geringschätzest du es, so beraubst du dich der Nutzbarkeit der Gabe. Niemand dringt Gott eine Nothwendigkeit auf; Niemand schreckt Er durch gebieterische Furcht: denn nicht bedarf Er unseres Heiles, als ob er irgend einen Zuwachs oder irgend eine Abnahme dadurch erleide, wenn er uns entweder zu Götter machte oder oder gestattete, daß wir durch der Verwesung Auflösung zum Nichts zurückgeführt werden.
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