Nr. 11
Dieß aber steht nicht im Wege und nicht verhindert es, daß ihr ihnen nicht vornehmlich zu glauben und zu gehorchen schuldig seyd. Und was will das sagen, daß ihr in diesem Fall das Meiste habt, wir das Mindeste? Ihr glaubt dem Platon, dem Kronios, dem Numenios oder wem sonst belieben wird; wir glauben und vertrauen Christus. Welch eine Unbilligkeit ist das, daß ihr, da wir beiderseitig auf unseren Autoritäten bestehen, und uns wie euch das Glauben gemeinschaftlich zukommt, wollt, man solle euch einräumen, was sie gesagt anzuerkennen; nicht aber was Christus bekannt machte, hören und beachten wollt? Gleichwohl, wollten wir Gründe mit Gründen, Fall durch Fall gleichen, vermögen wir vielmehr darzuthun, warum wir Christus nachgefolgt sind, als warum ihr den Philosophen. Und zwar sind wir Ihm gefolgt, wegen jener hochherrlichen Werke und mächtigen Kraft, mittels welcher Er vielfache Wunder vollbrachte und darstellte, durch die Jedweder zur Glaubensnothwendigkeit hinzugeführt werden und mit Zuversicht urtheilen konnte, nicht eigne dieß Geschehende einem Menschen, sondern irgend einer göttlichen und unbekannten Macht. Welchen Kräften der Philosophen seyd aber ihr gefolgt, daß ihr ihnen vielmehr glauben mußtet, als wir Christus? Welcher derselben vermochte einmal durch Ein Wort, oder durch Eines Befehls Geheiß, ich sage nicht des Meeres Wuth, des Sturmes Toben zurückzuweisen, zu zähmen; nicht, Blindgeborenen oder Erblindeten das Angenlicht herzustellen; Begrabene in's Leben zurückzurufen, vieljährige Leiden zu tilgen; sondern was um so viel leichter ist, ein Aiß, den Aussatz oder einen der Haut einhaftenden Dorn mittelst Einer Besprechung zu heilen? Womit wir ihnen aber keineswegs ableugnen, daß sie sowohl durch Sittenreinheit S. 61 lobenswerth, als auch in allen Arten des Wissens wohl erfahren waren: denn wir wissen, daß sie die trefflichsten Worte sprechen und von glatten Fügungen überfliegen; daß sie die scharfsinnigsten Syllogismen folgern; ihre Introductionen auf's folgerechteste ordnen; ihre Lehrfätze nach Definitionen vortragen, abtheilen und unterscheiden; daß sie Vieles von den Gattungen der Zahlen, Vieles von der Musik sagen; daß sie auch die Geometrie durch ihre Regeln und Vorschriften erklären. Was aber tut dieß zur Sache? Verheißen Enthymemata, Syllogismen und andere ähnliche Dinge ihnen das Wissen der Wahrheit, oder sind deßwegen sie würdig, daß ihnen nothwendig in den dunkelsten Dingen geglaubt werden muß? Die Vergleichung der Personen muß man nicht nach den Kräften der Beredsamkeit, sondern nach dem Vermögen vollbrachter Thaten abwägen. Nicht der ist ein guter Gewährsmann zu nennen, welcher eine Rede aufrichtig hervorbrachte; sondern der, was er verheißt, durch die Bürgschaft göttlicher Werke erweist.
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