Nr. 28
Und nun, damit wir nicht allzu unvollständig belehrt uns entfernen; wollen wir von euch vernehmen, auf welche Weise ihr sagt, die Seelen, insofern sie in die irdischen Körper eingehüllt werden, haben die Erinnerung an das Frühere nicht; da sie doch in die Körper selbst versetzt und durch die Vermischung mit denselben fast unempfindlich gemacht, beharrlich und treu bewahren, was sie vor vielen Jahren, willst du sagen vor achtzig oder noch mehreren, entweder vollbrachten oder litten, sprachen oder hörten: denn bewirkt der Körper ein Hinderniß, daß sie sich dessen nicht erinnern, was sie längst schon und vor den Menschen wußten, um so mehr müssen sie dann, was in die Körper eingeschlossen sie gethan, vergessen, als was außen befindlich, noch nicht mit dem Menschen vereinigt, sie erfahren und verrichtet. Was nämlich beim Eintritt in die Welt des Frühern Erinnerung entzieht, das muß auch durch unerinnerliche Tilgung das bei sich Geschehene zernichten: denn Eine Ursache kann nimmermehr zwei, und zwar sich entgegengesetzte Wirkungen hervorbringen, so daß sie hier das Gedächtnis hinwegnimmt, dort aber zuläßt, sich des Geschehenen zu erinnern. Wenn nun aber die Seelen, wie ihr verkündet, durch des Körpers Hinderniß abgehalten werden, sich ihrer alten Wissenschaft zu erinnern: auf welche Weise erinnern sich dann die in S. 71 die Körper versetzten und wissen, daß sie Seelen seyen, keine körperliche Substanz haben, beschenkt wurden mit dem Zustand der Unsterblichkeit? Wie ist ihnen bekannt, welchen Rang sie unter den Dingen innehaben; nach welcher Ordnung sie vom Gottvater unterschieden sind; um welcher Ursache willen sie zu dieser untersten Welt herabkamen; welche Qualitäten sie aus den Himmelskreisen, da sie herunter gleiteten, an sich gezogen haben? Auf welche Weise, sage ich, sind sie sich bewußt, höchst belehrt gewesen zu seyn und durch der Körper Verhinderung was sie gewußt eingebüßt zu haben? Selbst dieß ja mußten sie nicht wissen, wenn ihnen die körperliche Zufügung irgend Verderben zubrachte: denn was du gewesen und was heute du nicht bist, ist kein Zeichen des verlassenen Gedächtnisses, sondern die Bewahrung und das Merkmal seiner Erhaltung.
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