35.
Nach diesen Worten scheint dem Celsus die Sache darauf hinauszukommen, dass „alle Menschen nach den Sitten und Gebräuchen ihres Landes leben müßten und deshalb nicht getadelt werden dürften. Die Christen aber, die ihre vaterländischen Bräuche aufgegeben hätten und kein besonderes Volk bildeten wie die Juden, seien tadelnswert, da sie der Lehre Jesu zustimmten“. Celsus mag uns nun sagen, ob die Philosophen, die sich durch ihren Unterricht vom Aberglauben S. 486 freigemacht haben, darin recht handeln, dass sie „ihre ererbten Bräuche aufgeben“, und Speisen essen, die in ihrem Vaterlande verboten sind, oder ob sie hierin unrecht handeln. Denn wenn sie auf Grund ihrer Philosophie und ihrer gegen den Aberglauben gerichteten Lehren die Gebräuche der Väter nicht beobachten und Speisen essen zu dürfen glauben, die von alters her in ihrem Lande verboten sind: warum sollten dann die Christen, denen die Vernunft gebietet, sich nicht um die Götterbilder und Göttersitze oder auch um die Geschöpfe Gottes emsig zu bemühen, sondern sich über diese Dinge zu erheben und ihre Seele dem Schöpfer zu weihen, - warum sollten sie unrecht handeln, wenn sie es ebenso machen wie die Philosophen? Wenn aber Celsus oder seine Gesinnungsgenossen, um an der aufgestellten Ansicht festzuhalten, behaupten wollten, auch ein Philosoph werde die altherkömmlichen Gebräuche beobachten, dann würden zum Beispiel die ägyptischen Philosophen sehr lächerlich handeln müssen; denn sie wären verpflichtet, keine Zwiebel zu essen, um die Gebräuche ihres Landes zu beobachten, und gewisse Teile des1 Körpers, wie den Kopf und die Schulter, nicht zu genießen, um die von den Vätern überkommenen Gesetze nicht zu verletzen.
Von jenen Ägyptiern aber, die vor den Possen, die der Leib bei Blähungen treibt, heilige Scheu empfinden, will ich gar nicht reden. Wenn einer von solchen Leuten sich mit Philosophie befaßte, und die Gebräuche seines Landes beobachtete, der wäre ein lächerlicher Philosoph und sein Verhalten eines Philosophen nicht würdig. So würde also auch derjenige, der sich durch die christliche Lehre zur Verehrung des allmächtigen Gottes bestimmen ließe und doch aus Rücksicht auf die vaterländischen Gebräuche im Irdischen, bei den Götterbildern und den von Menschenhand errichteten Göttersitzen, haften bliebe und seine Seele nicht zum Schöpfer erheben wollte, jenen gleichen, die zwar die Lehren der Philosophie kennengelernt haben, aber sich trotzdem noch vor Dingen fürchten, die nicht fürchterlich sind, S. 487 und das Verzehren solcher Dinge für eine Gottlosigkeit halten.
tierischen ↩
