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Dass die Menschen zuweilen wunderbare Erscheinungen haben, berichten auch griechische Schriftsteller, und zwar nicht nur solche, von denen man wohl vermuten könnte, ihre Erzählungen seien erdichtete Fabeln, sondern auch solche, die vielfach gezeigt haben, dass sie wahrhaft Philosophen seien, und dass sie die Dinge, die ihnen begegnet sind, wahrheitsgetreu erzählen. Derartiges haben wir in den Schriften des Chrysippos von Soloi gelesen und ebenso einiges bei Pythagoras, ja selbst bei Schriftstellern aus der neueren und neuesten Zeit, wie zum Beispiel in der Abhandlung des Plutarch von Chäronea Über die Seele und in dem zweiten Buche des Pythagoreers Numenios Über die Unvergänglichkeit der Seele. Wenn die Griechen und S. 514 besonders wenn die griechischen Philosophen solche Dinge erzählen, sind ihre Berichte dann nicht mit Spott und Hohn aufzunehmen, auch nicht als „Erfindungen und Märchen“ anzusehen? Wenn aber Männer, die dem allmächtigen Gott dienen und alle Schmach und Mißhandlung, ja selbst den Tod auf sich nehmen, um keine Lüge - wenn auch nur mit dem Munde - über Gott sagen zu müssen, wenn diese als Augenzeugen über Erscheinungen von Engeln berichten, soll man sie dann nicht für glaubwürdig und ihre Angaben nicht für wahrheitsgetreu halten?
Aber es ist gegen die gesunde Vernunft, in solcher Weise zu entscheiden, dass die Angaben der einen wahr, die der andern dagegen unwahr seien. Denn Leute, die nicht gern betrogen werden wollen, geben nur nach langer und sorgfältiger Forschung und Untersuchung der betreffenden Punkte mit Vorsicht und Bedacht ihr Urteil über Wunderberichte von Schriftstellern ab und erklären, dass diese hier die Wahrheit berichten, jene dort aber sich mit Lügen abgeben. Sie halten es deshalb so, weil weder alle ein Merkmal an sich tragen, an der sich ihre Glaubwürdigkeit erkennen läßt, noch alle klar und deutlich verraten, dass sie den Menschen nur „Erfindungen und Märchen“ berichtet haben. Ferner ist über die Auferstehung Jesu von den Toten auch dies zu sagen: Es darf nicht wundernehmen, wenn damals ein Engel oder ein zweiter erschienen ist, um zu verkünden, dass Jesus auferweckt sei und für das Wohl derer sorge, die zu ihrem Heil an ein solches Wunder glauben. Und mir scheint es nicht widersinnig, anzunehmen, dass, solche, die an die Auferweckung Jesu glauben und einen rechtschaffenen Wandel und die Abwendung von der Flut der Sünden als nicht zu verachtende Frucht ihres Glaubens an sich wahrnehmen lassen, stets Engel zur Seite haben, die ihnen bei ihrer Bekehrung zu Gott behilflich sind.
