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Offenbar wirft Celsus mit diesen Worten den Juden vor, dass sie fälschlicherweise annähmen, sie seien das vor allen Völkern auserwählte „Erbteil“ des allmächtigen Gottes1 . Er klagt also ihre „Prahlerei“ an, da sie sich zwar „des großen Gottes“ rühmten, aber „keine Kenntnis von ihm hätten, sondern durch die Zauberei des Moses verführt und von ihm betrogen, nicht zu einem guten Ende seine Schüler geworden seien“. Wir haben nun, wenigstens teilweise, schon oben davon gesprochen, wie ehrwürdig und vortrefflich die staatlichen Einrichtungen des jüdischen Volkes gewesen seien, als für sie noch das Sinnbild der Stadt Gottes und seines Tempels und des bei ihm und bei dem Opferaltar vollzogenen heiligen Gottesdienstes2 bestand. Wenn aber jemand sein Nachdenken der Absicht des Gesetzgebers und seiner Verfassung zuwenden und die Zustände bei den Juden mit der jetzigen Lebensführung der übrigen Völker prüfend vergleichen wollte, so würde er kein Volk mehr bewundern3 , die, soweit menschenmöglich, alles, was dem Menschengeschlecht schädlich ist, beseitigt und allein das Nützliche angenommen haben. Aus diesem Grunde gab es bei ihnen keine Ringkämpfe, keine Schauspiele, keine Wagenrennen; sie duldeten unter sich auch keine Weiber, die ihre Jugendblüte jedem Beliebigen verkaufen4 , der nur seine niedrige Lust befriedigen will und die natürliche Ordnung der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes freventlich verletzt.
Und wie segensreich war es bei ihnen, dass sie schon im zartesten Alter angeleitet wurden, sich über die ganze sichtbare Natur zu erheben und nicht zu glauben, Gott habe irgendwo in ihr seinen Sitz, sondern ihn in der Höhe und jenseits der Körperwelt zu suchen! Und wie bedeutsam war es, dass sie fast zugleich mit der S. 496 Geburt und der Ausgestaltung ihrer Vernunft über die Unsterblichkeit der Seele und die unterirdischen Straforte und über die Ehren belehrt wurden, die für ein tugendhaftes Leben bestimmt sind! Diese Dinge wurden ihnen in der Kindheit, und solange sie wie Kinder dachten, noch in Gestalt der heiligen Geschichte verkündet; für die aber, die nach dem tieferen Sinne forschten und hierin Fortschritte machen wollten, wurden diese Legenden, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu der in ihnen verborgenen Wahrheit umgewandelt. Meiner Meinung nach zeigten sie sich aber darin würdig des Namens eines „Erbteils Gottes“, dass sie alle Weissagung verachteten, weil sie die Menschen zwecklos bezaubere und eher von bösen Geistern als von einem besseren Wesen herkomme, und dass sie die Kenntnis der Zukunft nur in solchen Seelen suchten, die wegen ihrer hohen Reinheit den Geist des über allen waltenden Gottes empfangen hatten.
