81. Frage.
Ob die Gewissenhaften ebenso zu bestrafen seien wie die Gleichgiltigen, wenn Beide in derselben Sünde betroffen werden.
Antwort. Wenn wir die Gesinnung des Sünders und die Art der Sünde berücksichtigen, werden wir auch die Art der Strafe erkennen. Denn obgleich die Sünde des Gleichgiltigen und des Gewissenhaften dieselbe zu sein scheint, so ist S. 231 doch unter ihnen ein großer Unterschied. Denn der Gewissenhafte, eben weil er gewissenhaft ist, kämpft und ringt um das Wohlgefallen Gottes, ist wegen eines Unfalls und fast wider seinen Willen gestrauchelt und gefallen; der Gleichgiltige dagegen, der weder auf sich noch auf Gott Rücksicht nimmt und, wie schon der Name anzeigt, zwischen Sündigen und Rechtthun keinen Unterschied macht, ist an dem ersten und größten Übel krank, entweder an der Verachtung Gottes oder an dem Unglauben an Gottes Dasein. Denn diese beiden veranlassen die Seele zum Sündigen, wie die Schrift bezeugt, indem sie einmal sagt: „Es spricht der Ungerechte bei sich selbst, daß er sündige, Furcht Gottes ist nicht vor seinen Augen;“1 ein ander Mal: „Der Thor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott. Verderbt sind sie und abscheulich sind sie geworden in ihren Anschlägen.“2 Daher verachtet er entweder Gott und sündigt dadurch oder leugnet selbst, daß ein Gott sei, und ist daher verderbt in seinen Bestrebungen, wenn er auch Gott zu bekennen scheint. Denn „sie geben vor, Gott zu kennen, leugnen ihn aber in ihren Werken.“3 Da sich Dieses nun so verhält, so muß meines Erachtens auch die Art der Strafe gegen sie verschieden sein. Denn der Gewissenhafte bedarf gleichsam eines örtlichen Beistandes und muß, worin er gefehlt hat, auch gestraft werden; der Gleichgiltige dagegen, der die ganze Schönheit der Seele zugleich zerstört hat und an den Hauptübeln selbst krank ist, soll entweder als Verräther, wie ich sagte, oder als Ungläubiger betrauert, ermahnt und bestraft werden, bis man ihn überzeugen kann, entweder daß Gott ein gerechter Richter ist, und er in Furcht geräth, oder überhaupt, daß ein Gott sei, und er erschüttert wird. Aber auch Das muß man wissen, daß die Fehler der Gewissenhaften oft auf Gottes Zulassung zu ihrem Nutzen geschehen. Denn Gott läßt sie manchmal fallen zur Heilung S. 232 ihres früheren Hochmuths, wie z. B. von Petrus gesagt und bei ihm eingetreten ist.
