5.
„Soll nach all1 dem der, welcher fällt, nicht wieder aufstehen? Oder soll der, der sich abwendet, nicht wieder zurückkehren2?” Warum hat sich die Jungfrau abgewandt in schamloser Abkehr, obschon sie Christum, den Bräutigam, durch Jeremias sprechen hörte: S. 100 „Nachdem sie all das als Hure getan hatte, sprach ich: Bekehre dich zu mir! Aber sie bekehrte sich nicht3.” Ist denn kein Arzt mehr dort? Warum heilt denn die Wunde der Tochter meines Volkes nicht zu4?” Du wirst ja in der göttlichen Schrift viele Schutzmittel gegen die Sünde finden, viele Arzneien, die aus dem Verderben zur Rettung führen: die Geheimnisse von Tod und Auferstehung, Aussprüche über das schreckliche Gericht und die ewige Strafe, Lehrsätze über Buße und Sündenvergebung, die tausend Beispiele von Bekehrung, die Drachme, das Schaf, den Sohn, der mit Huren sein Vermögen durchbrachte, der verloren war und wiedergefunden, der tot war und wieder lebendig wurde. Diese Mittel gegen die Sünde wollen wir ergreifen; durch diese wollen wir unsere Seelen heilen. Stelle Dir vor den letzten Tag — denn Du wirst wohl nicht allein eine Ewigkeit leben —, die Angst, das Ersticken, die Todesstunde, den nahen Urteilsspruch Gottes, die herbeieilenden Engel, die dabei schwer beängstigte Seele, die vom sündigen Gewissen bitter gemartert wird, erbärmlich den Dingen hienieden sich zukehrt wie der unerbittlichen Notwendigkeit jener weiten Reise. Schildere mir in Gedanken die letzte Katastrophe allen Lebens, wenn der Sohn Gottes in seiner Herrlichkeit kommen wird mit seinen Engeln — „denn er wird kommen und nicht schweigen5 —, wann er kommen wird zu richten die Lebendigen und Toten, um zu vergelten einem jeden nach seinen Werken, wann jene laut und furchtbar tönende Posaune die erwecken wird, die seit der Schöpfung schlafen, und wann diejenigen, die Gutes getan haben, hervorgehen werden zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes6. Denk an die Vision Daniels, wie er uns das Gericht vor Augen stellt. „Ich schaute”, spricht er, „bis Throne7 aufgestellt wurden und der Altbetagte sich setzte. Sein Kleid war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes glich reiner Wolle. Die Räder des S. 101 Thrones waren flammendes Feuer. Ein Feuerstrom flutete vor ihm her. Tausendmal Tausende dienten ihm. Und das Gericht ließ sich nieder, und die Bücher wurden aufgeschlagen8,” die da offen enthüllen das Gute und das Böse, das Offenbare und das Verborgene, die Taten, Worte und Gedanken, kurz, alles, so daß es alle Engel und Menschen erfahren. Wie muß es dabei denen zumute sein, die schlecht gelebt haben! Wohin will sich jene Seele vergraben, die in den Augen so vieler Zuschauer plötzlich voll Schande dasteht? Und in welchem Leibe will sie jene unendlichen und unerträglichen Qualen erdulden (dort), wo das Feuer nicht erlischt, der quälende Wurm nicht stirbt9, wo der Abgrund der Hölle finster und schrecklich, wo bitteres Weheklagen und entsetzliches Heulen und Weinen und Zähneknirschen ist10 und wo die Qualen kein Ende haben11? Eine Erlösung daraus gibt es nach dem Tode nicht mehr, und es gibt kein Mittel, keinen Weg, den bittern Strafen zu entrinnen.
