1.
So sehr uns früher ein betrübendes Gerücht, das unser Ohr umsummte, schmerzte, ebensosehr erfreute uns der gottesfürchtige Bischof, unser Bruder Bosporius1, der Besseres über Eure Frömmigkeit mitzuteilen wußte. Er erzählte nämlich mit Gottes Gnade, alle jene Schwatzereien seien Erfindungen von Leuten, die mit der wirklichen Lage der Dinge bei Euch nicht vertraut wären. Er fügte bei, er hätte auch bei Euch erbärmliche Verleumdungen über uns gefunden, und zwar derartige, die nur Leute aussagen könnten, die sich nicht darauf gefaßt machen, auch wegen eines unnützen Wortes dem Richter am gerechten Tage der Vergeltung Rechenschaft geben zu müssen2. Deshalb danke ich dem Herrn, weil ich selbst von der nachteiligen Meinung über Euch, die ich — wie natürlich — auf die Verdächtigungen von Leuten hin bekommen mußte, geheilt worden bin, und weil ich sodann hören durfte, daß Ihr Eure falschen Vorurteile über uns aufgegeben hättet, sobald Ihr die Versicherung unseres Bruders vernommen, der mit seiner eigenen Ansicht Euch auch ganz die unsrige vermittelte. Denn bei uns beiden ist die Glaubensanschauung eine, da wir ja S. 104 auch derselben Väter Erben sind, die einst zu Nizäa die große Botschaft des Glaubens verkündet haben. Diese ist in all ihren Punkten unbeanstandet geblieben — ausgenommen den Ausdruck „wesensgleich” (= ὁμοούσιον [homoousion]), der von einigen mißverstanden und darum bis jetzt noch nicht angenommen wurde. Sie mag man füglich tadeln; aber sie verdienen doch auch wieder Nachsicht. Den Vätern nicht folgen und deren Ansicht nicht maßgeblicher finden als die eigene, verdient Tadel, da es Stolz verrät. Wenn sie aber anderseits einen von andern verunglimpften Ausdruck verdächtig finden, so scheint das sie doch wieder einigermaßen vom Vorwurf freizusprechen. In der Tat verwarfen ja die, welche gegen Paul von Samosata zusammenkamen, diesen Terminus als nicht gutklingend3. Sie sagten nämlich, der Ausdruck „Homousion” lege nahe die Vorstellung von einer Wesenheit und der Dinge aus ihr, so daß die Wesenheit geteilt auch den Dingen, in die sie zerteilt wurde, die Bezeichnung „wesensgleich” mitgebe. Diese Vorstellung mag wohl bei Erz und bei Münzen einige Berechtigung haben; aber bei Gott dem Vater und Gott dem Sohne gibt es keine ältere Wesenheit, und es läßt sich auch keine über beiden liegende Wesenheit in Erwägung ziehen. Mehr als gottlos wäre es, so etwas zu denken und zu behaupten. Was könnte denn älter sein als der Nichtgezeugte? Mit solcher Lästerung wird auch der Glaube an den Vater und Sohn aufgehoben: verschwistert miteinander sind doch Dinge, die ein und demselben ihr Dasein verdanken.
