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Oft mußte ich mich wundern, wie Ihr je einmal ein Heimweh nach uns haben konntet und weshalb Ihr so viel vermissen könnt in (der Abwesenheit) unserer Wenigkeit, die doch so gering und unbedeutend ist und vielleicht gar nichts Liebenswertes an sich hat, und wie Ihr brieflich an uns Euch wenden möget, erinnernd an Freundschaft und Heimat, so wie man Flüchtlinge mit herzlicher, väterlicher Liebe wieder zu sich heimlocken will. Ein Flüchtling bin zwar auch ich geworden; ich gestehe es offen und kann es nicht leugnen. Den Grund, den Ihr wissen möchtet, sollt Ihr gleich erfahren. Ein unerwarteter Schlag hat mich damals schwer betroffen; und wie Leute bei einem plötzlichen Geräusch alle zumal zusammenfahren, so fand auch ich keine Zeit zu S. 26 vernünftiger Überlegung, sondern ich suchte das Weite und floh und blieb reichlich lange Euch ferne. Dann kam über mich auch eine gewisse Sehnsucht nach den göttlichen Wahrheiten und der Philosophie darüber. Wie wäre ich denn imstande, sagte ich mir, Herr zu werden über die Bosheit in unserer Brust? Wer sollte mir ein Laban werden, mich erretten vor Esau und mich zur höchsten Philosophie erziehen? Da wir aber mit Gottes Hilfe unser Ziel, so gut es möglich war, erreicht und ein Gefäß der Auserwählung, einen tiefen Brunnen gefunden haben — ich meine Gregor, den Mund Christi —, so bitte ich Euch, vergönnt uns eine kurze, kurze Spanne Zeit, nicht als ob wir das Stadtleben liebten1 — wir wissen ja auch wohl, daß der Böse mit dergleichen Lockungen die Menschen zu täuschen sucht2 —, sondern weil wir den Verkehr mit den Heiligen für sehr förderlich halten. Wenn wir nämlich nur irgendwie über die göttlichen Wahrheiten reden und noch häufiger davon reden hören, dann wird uns die Betrachtung zur dauernden Gewohnheit. So liegt also die Sache bei uns.
