19.
Nachdem sie, wie schon erwähnt, den Rest der römischen Güter ungestört veräussert hatten, suchten sie gleichsam der ganzen Welt Gutes zu tun. Denn welche Stadt oder Gegend hatte keinen Teil an ihren überaus grossen Wohltaten? Etwa Mesopotamien oder Syrien oder irgend ein Winkel Palästinas? oder Ägypten? oder die Pentapolis? Kurz gesagt, Morgenland und Abendland, sie nahmen teil an den überreichen Gaben. Ich selbst vernahm auf der Fahrt nach Konstantinopel das dankbare Lob der beiden Heiligen aus dem Munde vieler Greise, vor allem des Herrn Priesters Tigrius von Konstantinopel. Sie kauften ganze Inseln und schenkten sie heiligen Männern: auch viele Männer- und Jungfrauenklöster kauften sie und schenkten sie den Insassen und gaben Geld nach allen Seiten, soviel man bedurfte. Die vielen kostbaren Seidengewänder schenkten sie Kirchen und Klöstern als Schmuck der Altäre, sie liessen das unermessliche Silberzeug einschmelzen und daraus Altäre fertigen, Kirchengeräte und andere Weihegaben für den Gottesdienst. Nachdem sie die Besitztümer in Rom und Italien, in Spanien und Kampanien verkauft hatten, segelten sie nach Afrika. Sogleich stürzte sich Alarich1 auf die Güter, die die Seligen veräussert hatten, und alle priesen Gott und sagten „Selig, die noch ihren Reichtum hingeopfert haben, ehe die Barbaren einfielen!“ Da sie Rom verliessen, stellte der Stadtpräfekt, der ein fanatischer Heide war, im Senat den öffentlichen Antrag, ihren ganzen Besitz solle man als Staatseigentum erklären. Als er tags darauf mit der eiligen Ausführung des Planes umging, empörte sich durch Gottes Zulassung das hungernde Volk, S. 461 weshalb er mitten durch die Stadt geschleift und getötet wurde. Nun liessen auch die andern alle vor Angst von jener Absicht. Als jene von Sizilien zum hochheiligen Bischof Paulinus2 segelten, zu dem sie sich früher schon zurückgezogen hatten, hinderten durch Gottes Fügung widrige Winde die Fahrt, so dass sie sehr in Bedrängnis kamen. Weil sie zahlreich waren im Schiffe, ging das Trinkwasser aus und sie litten arge Not. Als die Matrosen die Vermutung aussprachen, es sei Gottes Zorn im Spiele, gab die Selige zur Antwort: „Es ist gar nicht Gottes Wille, dass wir an unser Ziel gelangen. Lasst ohne Widerstand das Schiff dem Winde“ Sie taten gemäss dem Auftrag der Heiligen, hissten das Segel und landeten an einer Insel, die von Barbaren umzingelt war. Diese hatten die angesehensten Männer mit Frauen und Kindern aus der Stadt geschleppt und verlangten eine ungeheure Summe Geldes: bringe man diese zur Stelle, sollten sie frei sein, wenn aber nicht, ermordet und die Stadt in Brand gesteckt werden. Da nun die Heiligen aus dem Schiffe traten, kam der Bischof mit anderen, bat sie fussfällig und sagte: „Von der Summe, die die Barbaren fordern, fehlen uns zweitausendfünfhundert Goldstücke.“ Das gaben sie gern und kauften alle Stadtbewohner los, schenkten ihnen zudem fünfhundert Goldstücke und halfen den armen Leuten Hunger und Angst vergessen durch den mitgeführten Vorrat an Brot und sonstiger Nahrung. Nicht nur das, sondern sie verschafften auch einer hochangesehenen Frau, die den Barbaren zur Beute gefallen war, um fünfhundert Goldstücke die Freiheit.
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