41.
Und als ihre heilige Mutter vom Herrn gerufen wurde, ging sie fort um den Lohn in Empfang zu nehmen, der den Heiligen verheissen ist. Mit vielen Ehren liess die Selige den Leichnam unter Psalmengesang auf den Ölberg tragen und blieb sogleich oben in einer dunklen Zelle, denn in der Stadt wollte sie nicht mehr wohnen. In tiefer Trauer, in Abtötung und strengem Fasten vollbrachte sie jenes Jahr. Sie baute dann ein Kloster, um auch andere Seelen zu retten mit der eigenen. Deshalb bat sie den Bruder, dass er ihr einige Jungfrauen zuführe. Nun entstand eine Genossenschaft von etwa neunzig Jungfrauen. Diesen verbot die Selige vor allem jede Unterhaltung mit einem Manne. Nachdem sie darum innerhalb des Klosters eine Zisterne angelegt und für alles, was zur Pflege des leiblichen Lebens nötig ist, hinreichend gesorgt hatte, sagte sie zu den Jungfrauen: „Ich will in jeder Hinsicht buchstäblich euere Magd sein und ihr werdet keinen Mangel leiden an irgend etwas Nötigem; nur müsst ihr den Umgang mit Männern meiden.“ Sogar von unehrbaren Orten brachte sie Weiber, die sie durch Ermahnungen gewonnen hatte, Gott als Opfergaben, denn sie wusste, dass geschrieben steht: „Scheidest du das Wertvolle vom Schlechten, sollst du sein wie mein Mund!“1 Oftmals redete sie zu solchen über das Heil. Sie weigerte sich aber aus unendlicher Demut, als Oberin zu gelten, und übertrug das Amt einer andern, die von gutem Geist und Liebe zu Gott erfüllt war. Sie selber oblag nur dem Gebet und dem Dienste der Heiligen. War die Oberin manchmal etwas zu strenge, so war die Selige mit Eifer auf alles bedacht, dessen sie bedurften. Vor allem sorgte sie für die kränklichen Schwestern, brachte, was sie nötig hatten, und legte das gebrauchsfertig einer jeden ganz im Verborgenen in die Zelle unter das Bett. Nun kamen die Schwestern hinein und fanden, ohne dass ihre Mutter etwas ahnte, die mannigfachsten Erfrischungen vor. An der liebevollen Art erkannten sie, dass die Heilige das getan, liebten sie deshalb ungemein und folgten ihr aus allen Kräften zum Dank für das unendlich zarte Mitgefühl.
Jer. 15,19. ↩
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