23.
Sie besass eine schöne Handschrift, schrieb tadellos auf Pergament und gab sich selber eine strenge Regel, wieviel sie täglich in den kanonischen Büchern und in den Werken der Ausleger zu lesen habe. Wenn sie daran sich gesättigt hatte, durchging sie das Leben der Väter, wie man Kuchen als Nachspeise geniesst. Sie schlief dann etwa zwei Stunden und weckte, sobald sie wach geworden war, die Jungfrauen, die mit ihr dem asketischen Leben oblagen. Sie sagte: „Wie der selige Abel1 und ein jeder aus den Heiligen Gott die ersten Früchte darbrachte, wollen auch wir die Erstlinge der Nacht dem Gotteslobe widmen: denn zu jeder Stunde sollen wir wachen und beten; wir wissen ja - wie geschrieben steht - die Stunde nicht, wann der Dieb kommen wird.“2 Auch gab sie den Mitschwestern genaue Vorschriften, damit weder ein unnützes Wort noch S. 463 mutwilliges Lachen von ihren Lippen käme. Ihre Gedanken suchte sie mit aller Sorgfalt kennen zu lernen und duldete nicht, dass etwas Unreines in ihrem Hause hause.
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