56.
Sie harrte noch aus in Konstantinopel, bis sie den Vierzigsten für ihn begangen hatte, nützte dort allen, besonders den christlichen Kaiserinnen und erbaute zugleich den überaus frommen Kaiser Theodosius. Von ihm erbat sie seiner Gattin Urlaub, weil diese Verlangen trug, die heiligen Orte zu verehren. Am Schlusse des Monats Februar brachen wir auf. Gerade damals war ein so rauher Winter, dass die Bischöfe Galatiens und Kappadokiens1 versicherten, niemals einen so entsetzlichen erlebt zu haben. Wir aber reisten stets im Schneegestöber den ganzen Tag und sahen nichts von der Gegend, nur die Herbergen, wo wir am Abend S. 486 Einkehr nahmen. Trotzdem liess die Selig nicht ab von ihrem Fasten, allzeit unerbittlich strenge bei sich selber, gleich dem Diamant, der seine Härte niemals einbüsst. Sie sagte nur: „Jetzt muss ich um so mehr mich abtöten zum Danke gegen Gott, den Herrn der Welt, für alles Wunderbare, das er an mir getan.“ Ausdauernd im unaufhörlichen Gebet bewirkte sie, dass weder sie noch wir die furchtbare Kälte lästig empfanden, und zeigte so, dass der sicherste Schutz das Gebet des Gerechten ist, sogar den Elementen gegenüber. So liebevoll die Heiligen alle, bei denen wir vorüberkamen, uns drängten zu bleiben, keinem gab die Selige nach, denn sie kannte nur den einen Wunsch: das Leiden des Herrn in Jerusalem zu feiern, und das gewährte Gott ihr huldvoll nach der untrüglichen Verheissung des heiligen Propheten: „Den Willen jener, die ihn fürchten, wird er tun und ihr Flehn erhören“.2
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