68.
S. 496 Hierauf kamen die gottgeliebten Mönche aus dem Kloster der Seligen. Zu diesen sagte sie: „Weil ich im Begriffe stehe, dies zeitliche Leben zu verlassen, drängt es mich, Abschied zu nehmen von euch mit der Bitte: Machet in allen Dingen dem Priester Freude; denn ihr wisset, dass er seine Freiheit hingegeben hat, euer Knecht zu sein um des Herrn willen und dass er aus eigenem Antrieb eure Last auf sich genommen hat.“ Dann kamen die anderen Klöster und viele von der Stadt. Und sie, das wahrhaft starke Weib, war voll zarter Aufmerksamkeit für alle, so sehr die Schmerzen ihren Leib zermarterten. In Freundlichkeit und Güte bot sie jedermann ein passend Lebewohl. Dann erschien ihre Base, die Herrin Paula, mit allen Hausgenossen; diesen gab sie gute Lehren, besonders suchte sie die Base zu trösten, die gänzlich aufgelöst in Jammer um die Trennung war, und entliess sie unter vielen Segenswünschen und Gebeten. Zuletzt von allen wandte sich die Selige zu mir Armen und sagte: „Du bist voll Liebe zu Gott und es ist nicht nötig dich zu bitten, dass du sorgest um die Klöster; denn während ich im Fleische war, bist du's gewesen, der sich aller angenommen, die Last getragen und mir selber treulich zur Seite gestanden hat, ich empfehle dir deshalb auch jetzt die Klöster und bitte dich, wenn ich nimmer da bin, nicht überdrüssig zu werden der doppelten Mühe. Gott wird dich belohnen in der künftigen Welt.“ Nachdem sie von allen in Frieden Abschied genommen hatte, sprach sie: „Betet!“ Dann entliess sie alle, indem sie sagte: „Nun lasst mich ruhen!“ Sie fiel in Ohnmacht um die neunte Stunde; wir aber meinten, sie sei gestorben, und gingen daran, ihre Füsse zu strecken. Da kam sie wieder etwas zu sich und sagte mit leiser Stimme zu meiner Wenigkeit: „Noch ist die Stunde nicht da.“ Ich konnte zwar den Schmerz, der mich umfangen hielt, nicht mehr beherrschen, doch gab ich ihr trotzdem zur Antwort: „Wenn nun die Stunde kommt, willst du darin es uns sagen?“ Sie entgegnete: „Ja.“ So sprach sie, scheint mir, um anzudeuten, es sei nicht nötig, dass jemand den Leib nach ihrem Tod gerade richte. Heilige Männer blieben bei mir, denn allezeit war es ihr Wunsch S. 497 gewesen, ihren Geist aufzugeben in Mitte von Heiligen. Nochmal kam der gottgeliebte Bischof mit den Einsiedlern aus der Gegend um Eleutheropolis, hochheiligen Männern, die zu der Seligen sagten: „Du hast den guten Kampf gekämpft auf Erden und freudig gehst du zum Herrn und es frohlocken die Heiligen alle; wir aber bleiben zurück in tiefer Trauer um dich, deren heilsamen Umgang wir schmerzlich vermissen.“ Sie sagte darauf - und es war ihr letztes Wort: „Wie's dem Herrn gefiel, so geschah es“.1 Und sogleich übergab sie die Seele sanft und ruhig, freudig und frohlockend ihrem Gebieter am Abend des heiligen Sonntags zum Ausdruck der innigen Liebe zum Herrn und seiner heiligen Auferstehung. Es war nicht nötig, ihren heiligen Leichnam in andere Lage zu bringen. Denn die Füsse waren ausgestreckt, die Hände lagen zusammengefügt auf der Brust und die Augenlider waren geschlossen, als ob sie schliefe. Gemäss ihrem Auftrag fanden sich die heiligen Väter ein aus verschiedenen Orten und sangen feierlich Psalmen die ganze Nacht und hielten Lesungen und begruben sie.
Hi 1,21. ↩
