63.
Wie der wackere Wettläufer, wenn er die weite Rennbahn durchmass, nach dem Siegespreise sich sehnt,1 so trug sie nun bald Verlangen, aufgelöst und mit Christo vereint zu werden.2 Denn auch sie seufzte, wie der Apostel sagt, mit der himmlischen Wohnung umkleidet zu werden.3 Es kam das heilige Fest der Geburt des Erlösers.4 Da sagte sie zu ihrer Base, der S. 492 Herrin Paula: „Gehen wir nach dem heiligen Bethlehem; denn ich weiss nicht, ob ich dieses Fest noch ein Mal im Fleische sehen werde!“ Sie gingen also hin,5 durchwachten die ganze Nacht und empfingen am Morgen die furchtbaren Geheimnisse. Die Heilige sagte sodann, als hätte sie von Gott Gewissheit erhalten, zur Base gewendet: „Bete für mich! In Zukunft wirst du die Geburt des Herrn allein begehen; denn die Zeit meines Wandels im Fleische wird sich in kurzem erfüllen.“ Jene war ob dieser Äusserung auf das tiefste bestürzt. Sie kehrten aus dem heiligen Bethlehem in das Kloster zurück, ohne dass die Heilige das mühevolle Wachen und Wandern geachtet hätte; sondern sie ging sogleich in die Höhle,6 wo sie lange Zeit im Gebete blieb.
1Kor 9,24. ↩
Phil 1,23. ↩
2Kor 5,2. ↩
Dieser Satz bildet einen wichtigen Beweis für die Einführung des Weihnachtsfestes in Jerusalem in der ersten Hälfte des 5. Jahrh. Bisher hatte man Epiphanie zugleich in diesem Sinne gefeiert. Obige Angabe stimmt auffallend überein mit einer Homilie des Basilius von Seleukia (orat. 42 de laudibus s. Stephani, Migne P.G. 88, 475), worin die Einführung eines eigenen Geburtsfestes Christi dem Patriarchen Juvenalis zugeschrieben wird. Melania mochte dies Fest um so lieber mitfeiern, weil es aus dem Abendland herübergekommen war. ↩
d.h. am 24. Dezember. ↩
Vgl. Kap. 49. ↩
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