43.
„Wir müssen die wahre Gottes- und Nächstenliebe lernen aus der Heiligen Schrift und sie mit allem Eifer bewahren, denn wir müssen einsehen, dass ohne die geistliche Liebe jede Tugend und Abtötung umsonst ist; denn alle guten Werke, die wir zu vollbringen scheinen, kann der Teufel nachahmen, doch einen Wettkampf in Demut und Liebe kann er unmöglich eingehen. Um ein Beispiel zu gebrauchen: Wir fasten, er aber isst nicht das Geringste; wir halten Nachtwachen, er aber schläft überhaupt nicht. Hassen wir also den Hochmut, denn dadurch ist jener vom Himmel gefallen und will uns mit sich in die Tiefe reissen. Fliehen wir den eitlen Ruhm dieser Welt, der einer Blume des Feldes1 gleicht! Bleiben wir unentwegt dem heiligen wahren Glauben treu; denn er ist die Grundlage, das Fundament des ganzen Lebens im Herrn! Befleissen wir uns, heilig zu sein an Geist und Leib,2 denn ohne das wird niemand den Herrn schauen!“ Sie war in Furcht, dass eine von ihnen auf ein Übermass an Abtötung stolz werden und fallen könne; deshalb sagte sie, das Fasten sei die letzte von allen Tugenden; im reichsten Schmucke prangend trage doch eine Braut nicht schwarze Schuhe, sondern sie S. 475 gebe sogar den Füssen eine Zier; im gleichen Sinn gezieme der Seele das Fasten zu allen andern Tugenden hinzu; will aber jemand, der die andern Tugenden nicht besitzt, das strengste Fasten üben, so gleicht er einer Braut, die allen Schmuckes bar einhergeht und einzig schöne Schuhe trägt.
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