8.
So brachte der Knecht Gottes neun Jahre zu. Da wurde er eines Tages dem Leibe entrückt und sah eine hohe Wolkensäule vor sich stehn und den heiligen und seligen Symeon oben darauf. Und zwei herrliche Männer in weißen Kleidern traten in der Höhe an ihn heran, und er hörte die Stimme des heiligen und seligen Symeon zu ihm sagen: Komm zu mir, Daniel! Und er antwortete: Vater, Vater, wie kann ich zu jener Höhe hinaufkommen? Sprach der Heilige zu den Jünglingen an seiner Seite: Steigt hinab und führt ihn zu mir hinauf! Das taten sie und stellten ihn neben den heiligen Symeon. Der umarmte und küßte ihn und schwebte dann, von andern Gestalten gerufen und geleitet in die Höhe und ließ ihn samt jenen zwei Männern auf der Säule zurück. Und er hörte die Stimme des heiligen Symeon: Steh fest und kämpfe wacker! Als ihm die furchbare Stimme wie ein Donnerschlag ins Ohr klang, entsetzte er sich und kam wieder zu sich. Er erzählte es seinen Freunden und sie meinten: Du mußt dich auf eine Säule stellen und von Engeln geschützt das Leben des heiligen Symeon annehmen. Da sagte der Heilige: Der Wille Gottes des Herrn geschehe an seinem Knechte. Und er nahm das heilige Evangelium zur Hand, betete und schlug es auf, und fand die Stelle: Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst vor dem Herrn einhergehen, ihm seine Wege zu bereiten Lukas 1,76. Da schlug er das Buch zu und dankte Gott.
Nach wenigen Tagen aber kam aus dem Morgenlande ein Mönch namens Sergios, ein Schüler des heiligen Symeon. Der meldete das erbauliche Ende dieses Heiligen 2. Sept. 459 und hatte seine härene Kutte in um sie als Segensgabe dem seligen Kaiser Leo zu überreichen. Da der Kaiser aber durch Regierungsgeschäfte in Anspruch genommen war, konnte Sergios keine Audienz erlangen: das war aber eine wahre Fügung Gottes, damit der neue Elisa den Mantel des Elias erhielte. Denn Sergios mußte im Warten auf die Audienz mißmutig in der Stadt umherwandem, und so wollte er einmal das Kloster der Akoimeten besuchen. Dorthin konnte man aber nur an jenem Tempel vorbei mit der Strömung bei Nordwind gelangen. Er stieg also in ein Schiff mit vielen andern Männern und Weibern. So kamen sie an den Ort, wo früher die Dämonen mit Steinen nach den Leuten geworfen und immer die Schiffe zum Scheitern gebracht hatten, und die Fahrtgenossen priesen Gott und gedachten des heiligen Mannes. Sergios aber fragte, wer das sei, denn ich möchte mich, sagte er, von ihm segnen lassen. Sie antworteten: Wir wollen die Schiffer bitten und dann alle aussteigen und ihn besuchen. Das geschah und Sergios ging hin und begrüßte den Heiligen, und als sie miteinander redeten und Daniel von dem Ende des heiligen Symeon hörte, erzählte er dem Sergios von seinem Gesicht. Da rief dieser: Dann hat mich Gott ja zu dir geschickt! Du bist der Schüler deines Vaters, sieh, hier ist sein gesegnetes Geschenk! Und er legte die Kutte aus seinen Händen vor den Türspalt. Da nahm sie Daniel und küßte sie unter Tränen und sprach: Gepriesen seist du, Gott, der alles so trefflich fügt, daß du meine Niedrigkeit der Gabe deines Dieners gewürdigt hast. Vom Schiff aber kamen Leute und schalten den Sergios, weil er durch sein langes Verweilen die Abfahrt verzögere. Doch er gab ihnen zur Antwort: Gott hat mich von einem Vater zum andern geleitet! und von da an blieb er bei dem seligen Daniel.
