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Welche Absicht sollte denn die Vorsehung verfolgt haben, dass sie die Wundertaten durch Aristeas geschehen ließ? Welchen Nutzen hat sie denn dem S. 235 Menschengeschlechte mit so bedeutenden Schaustellungen, wie du meinst, erweisen wollen? Du kannst auf diese Fragen keine Antwort geben. Wenn wir dagegen die Wunder Jesu verkünden, so geben wir dafür, dass sie geschehen sind, einen nicht zu verachtenden Grund an, nämlich den, dass Gott damit die den Menschen heilsame Lehre bestätigen wollte, die Jesus verkündete, diese Lehre, für die die Apostel gleichsam die festen Grundmauern des darauf errichteten Baues des Christentums bilden1, und welche in den folgenden Zeiten, in denen sich nicht wenige Krankenheilungen im Namen Jesu und andere nicht unbedeutende Wundererscheinungen finden, noch weitere Verbreitung erlangen sollte.
Woher stammt denn aber dieser „Apollo, der den Metapontinern anbefahl, dass sie dem Aristeas göttliche Ehre erweisen sollten“? In welcher Absicht tut er dies? Welcher Nutzen sollte den Metapontinern daraus erwachsen, dass sie nach seiner Weisung dem Aristeas göttliche Verehrung erwiesen und den nunmehr für einen Gott hielten, der kurz vorher noch ein einfacher Mensch gewesen war? In unseren Augen ist Apollo ein Dämon, der „durch Weinspenden und Brandopfer geehrt wird“2; dir aber scheinen seine Anordnungen, die er über Aristeas getroffen hat, bedeutsam zu sein, während das, was der allmächtige Gott und seine heiligen Engel durch den Mund der Propheten nicht erst nach der Geburt Jesu, sondern bereits vor seiner Menschwerdung verkündigt haben, dich nicht dazu bestimmen kann, die von göttlichem Geist erfüllten Propheten und zugleich den zu bewundern, auf den sich ihre Weissagungen bezogen. Sein Eintreten in das Leben war viele Jahre zuvor so ausführlich angekündigt worden, dass das ganze jüdische Volk die Ankunft des Verheißenen sehnsuchtsvoll erwartete und nach der Ankunft Jesu untereinander in Streit geriet. Sehr viele erkannten Jesus als den Messias an, den die Propheten angekündigt hatten, und glaubten an ihn; die andern aber glaubten nicht, verachteten vielmehr die Sanftmut S. 236 seiner Anhänger, die wegen seiner Lehre nicht den geringsten gewaltsamen Aufstand erheben wollten, und wagten es, Jesus solche Mißhandlungen anzutun. Alles dies haben seine Jünger mit Wahrheitsliebe und Einsicht niedergeschrieben, indem sie aus seiner wunderbaren Geschichte jene Dinge nicht heimlich wegließen, von denen die große Menge glaubt, dass sie der christlichen Lehre zur Unehre gereichen.
Denn Jesus selbst und seine Jünger wollten, dass die Gläubigen bei Annahme seiner Lehre nicht nur seiner Göttlichkeit und seinen Wundern glauben sollten, gleich als ob er nicht teilgenommen habe an der menschlichen Natur, auch nicht jenes „Fleisch“ angenommen habe, das in den Menschen „wider den Geist gelüstet“3. Sie sahen ja, dass die Kraft, die zur menschlichen Natur und zu menschlichen Nöten herabgestiegen war und menschliche Seele und Leib angenommen hatte, infolge des Glaubens daran ebenso zum Heile der Gläubigen beitrug wie das Göttliche, das in Jesus war. Sie erkannten, dass in ihm die Vereinigung der göttlichen Natur mit der menschlichen ihren Anfang genommen, damit die menschliche durch enge Verbindung mit dem Göttlichen selbst göttlich werde, nicht nur in Jesus, sondern auch in allen den Menschen, die gleich mit dem Glauben ein Leben beginnen, wie es Jesus lehrte, ein Leben, das alle zur Freundschaft mit Gott und zur Gemeinschaft mit ihm hinaufführt, die nach den Geboten Jesu wandeln4.
