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Weil Celsus dann auch äußert: "Was ist denn nun dies für eine Bevorzugung der S. 278 Sünder?" und weil er noch andere ähnliche Fragen hinzufügt, so antworten wir ihm: Schlechthin erhält der Sünder vor dem Nicht-Sünder keinen Vorrang. Bisweilen aber wird ein Sünder, der sich seiner eigenen Sünde bewußt ist und deshalb aus Reue über seine Verfehlungen demütig wandelt, einem anderen vorgezogen, der in geringerem Grade für sündig gilt, sich aber gar nicht für einen Sünder hält, sondern sich vielmehr wegen einiger Vorzüge, die er zu besitzen meint, brüstet und ihretwegen hochmütig ist. Das macht einem jeden, der die Evangelien mit Verstand lesen will, das Gleichnis vom Zöllner deutlich, welcher sagte: "Sei mir Sünder gnädig!"1 und vom Pharisäer, der sich in einem gewissen schlimmen Glauben befangen rühmte und sprach: "Ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner hier"2. Jesus fügt ja der Erzählung von beiden die Worte hinzu; "Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus vor jenem. Denn jeder, der sich selbst erhöhet, wird erniedrigt, und jeder, der sich selbst erniedrigt, wird erhöhet werden"3." Wir "lästern" also "Gott" nicht, auch "verleumden" wir "ihn" nicht, wenn wir lehren, dass ein jeder von der menschlichen Niedrigkeit im Vergleich mit der Erhabenheit Gottes überzeugt sein, und immer von ihm das erflehen müsse, was unserer Natur fehlt, da er allein das, was uns mangelt, zu ergänzen vermag.
