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Wahrscheinlich will aber Celsus ungefähr dies klar machen, dass, „wer von Natur zu solchen Sünden bestimmt und daran gewöhnt ist, die nur von den verkommensten Menschen begangen werden, von keinem, auch nicht durch Strafen, vollständig umgewandelt werden können“. Auch dies läßt sich aus der Lebensgeschichte einiger Philosophen als unwahr erweisen. Oder wird man nicht den zu den verkommensten Menschen rechnen, der sich irgendwie dazu verstanden hat, S. 281 einem Herrn zu gehorchen, nach dessen Weisung er sich in einem schlechten Hause von einem jeden Beliebigen mißbrauchen lassen mußte? Das aber wird von Phädon berichtet1. Wer aber wird den Mann, der mit einer Flötenspielerin und seinen mitschwelgenden Zechgenossen in die Schule des ehrwürdigen Xenokrates eindrang, um den auch von seinen Genossen bewunderten Lehrer zu verhöhnen, nicht als den verworfensten aller Menschen bezeichnen? Und doch konnte die Vernunft auch in diesen beiden eine solche Umwandlung hervorbringen, dass sie in der Philosophie die größten Fortschritte machten. Der eine wurde daher von Plato für würdig gehalten, die Lehre des Sokrates über die Unsterblichkeit durchzuführen und von dessen Festigkeit im Kerker zu berichten, da er nicht an den Giftbecher dachte, sondern ohne Furcht und in aller Seelenruhe so große und so wichtige Fragen durchnahm, dass ihnen auch die sehr in sich gefestigten und von keiner Not beschwerten Forscher nur mit Mühe folgen können. Polemon ferner gab sein zügelloses Leben auf und führte einen so tugendhaften Wandel, dass er dem Xenokrates, von dessen hohem sittlichen Ernst alle sprechen, auf dem Lehrstuhle nachfolgte2. Celsus spricht also nicht die Wahrheit, wenn er behauptet, dass „die von Natur zum Sündigen Bestimmten und daran Gewöhnten von keinem, auch nicht durch Strafen, vollständig umgewandelt werden könnten“.
