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S. 285 Hierauf nimmt Celsus für richtig an, was höchstens von einigen unverständigen Christen geglaubt, von den vernünftigen Gläubigen dagegen nie zugegeben wird, nämlich: „Gott läßt also ähnlich den Menschen, die dem Mitleid nicht widerstehen können, bei den Jammernden Mitleid walten und steht den Schlechten bei, während er dagegen die Guten von sich stößt, weil sie solches Tun unterlassen. Und das ist doch höchst ungerecht gehandelt“ Nach unserem Glauben „steht Gott keinem Schlechten bei“, wenn er sich nicht der Tugend zugewandt hat, wie er auch keinen „Guten von sich stößt“. Gott „steht auch“ keinem „Jammernden“ wegen seines Jammerns „bei“ oder bemitleidet ihn - um dieses Wort1 nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch anzuwenden -, sondern die Sünder, welche sich ihrer Verfehlungen wegen selbst heftig verurteilen, so dass sie deswegen gleichsam trauern und sich selbst als Verlorene, soweit es ihre früheren Taten betrifft, beklagen und eine bemerkenswerte Umwandlung aufweisen, diese läßt Gott ihrer Reue wegen zu, selbst die, welche das schlechteste Leben geführt, aber sich gebessert haben. Denn die Tugend, die in ihren Seelen Wohnung nimmt und daraus die Sünde, die dort vorher geherrscht hatte, vertreibt, läßt das frühere Leben solcher Leute vergessen. Wenn aber auch nicht Tugend, sondern nur ein ernster Anlauf zum Besseren in der Seele entstände, so würde selbst dieser, je nachdem er mehr oder weniger vorliegt2, genügen, die Flut der Sünde zu beseitigen und verschwinden zu machen, so dass sie nahezu nicht mehr in der Seele vorhanden ist.
