3.
Celsus sagt also: „ Was von der Pythia oder den Priesterinnen von Dodona oder von dem1 in Klaros oder bei den Branchiden oder im Tempel des Ammon und von tausend andern Sehern vorher verkündet worden ist, auf deren Veranlassung so ziemlich die ganze Erde mit Kolonien besiedelt wurde, das achten sie für nichts; was aber von den Leuten in Judäa nach ihrer Art und so, wie noch jetzt die Bewohner von Phönikien und S. 642 Palästina2 pflegen, gesagt oder nicht gesagt ist, das halten sie für bewundernswert und unabänderlich.“ Über die aufgezählten Orakelstätten wollen wir nun bemerken, dass wir aus den Schriften des Aristoteles und der Peripatetiker viele Stellen beibringen und zur Widerlegung der Ansicht über die Pythia und die übrigen Orakelstätten verwenden könnten. Auch aus den Schriften des Epikur und seiner Schüler könnte man Aussprüche über denselben Gegenstand anführen und zeigen, dass auch manche Griechen die Weissagungen verwerfen, die in ganz Griechenland als solche angesehen und bewundert werden. Aber man mag zugeben, dass die Antworten der Pythia und die übrigen Orakelsprüche keine Erdichtungen von Menschen seien, die sich den Anschein geben, von der Gottheit begeistert zu sein. Wir wollen nun sehen, ob nicht auch so von Personen, welche die Dinge wahrheitsliebend untersuchen, der Nachweis geliefert werden kann, dass selbst dann, wenn man diese Orakelsprüche gelten läßt, nicht notwendig angenommen werden muß, dass sie von gewissen Gottheiten herrühren, sondern im Gegenteil gewissen bösen Dämonen und Geistern zuzuschreiben sind, welche dem Menschengeschlecht übelwollen und den Aufstieg der Seele und ihren tugendhaften Wandel und ihre durch die wahrhafte Frömmigkeit bewirkte Rückkehr zu Gott zu hindern suchen. Von der pythischen Priesterin, deren Orakel die andern an Glanz und Ansehen zu übertreffen scheint, wird also berichtet, dass diese Prophetin des Apollo, über der Öffnung der kastalischen Höhle sitzend, den Geist durch ihren Schoß in sich aufnimmt, von dem erfüllt sie die für ehrwürdig und göttlich geltenden Weisungen verkündet.
Man erwäge nun, ob nicht hierdurch das unreine und unheilige Wesen jenes S. 643 Geistes angezeigt wird, dass er nicht durch einzelne unsichtbare Hautöffnungen, die viel reiner als der weibliche Schoß sind, in die Seele der Weissagenden eindringt, sondern durch diese Teile, die ein anständiger und [vernünftiger] Mensch nicht einmal sehen oder gar berühren durfte, und dass er das nicht etwa einmal, auch nicht zweimal tut - ein solches Handeln würde vielleicht erträglicher erschienen sein -, sondern so oft, als man glaubt, dass jenes Weib von Apollo prophetische Eingebungen empfängt. Aber auch das ist nicht das Werk eines göttlichen Geistes, dass er eine Person, die doch weissagen soll, in Verzückung und in einen rasenden Zustand versetzt, so dass sie gar nicht mehr weißt, was sie tut. Denn der vom göttlichen Geist Ergriffene hätte viel früher als jeder Beliebige, der sich von den Orakeln über das einem bürgerlichen und natürlichen Leben Förderliche belehren läßt, zu seinem eigenen Nutzen oder Vorteil unterstützt und gerade zu jener Zeit mit dem klarsten Blick begabt werden müssen, wenn die Gottheit sich mit ihm vereinigte.
