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Da aber Celsus nach der Aufzählung so vieler Männer die Frage stellt: „ Hat euer Gott bei seiner Bestrafung etwas Derartiges geäußert? “ so könnten wir ihm darauf antworten: Das Schweigen Jesu bei den Geißelhieben und den vielen Beschimpfungen, die er erlitt1 , zeigte weit mehr Standhaftigkeit und Selbstbeherrschung an, als jede Äußerung, die ein in Not befindlicher Grieche getan hat, wenn wirklich Celsus wenigstens hierin der verständigen Aufzeichnung wahrheitsliebender Männer Glauben schenken will, die auch die Wundertaten ohne Trug erzählen und das Schweigen Jesu bei der Geißelung mit zu jenen rechnen2 . Und diese erhabene Sanftmut bewahrte er auch, als seine Feinde ihn „verspotteten“, ihm den „Purpurmantel “ anzogen, den „Dornenkranz“ auf sein Haupt setzten und statt eines Szepters ihm das „Rohr“ in die Hand gaben3 ; auch nicht ein unedles, auch nicht ei n unwilliges Wort äußerte er zu denen, die so schlimme Dinge an ihm verübten. S. 712 Es entsprach also nicht dem Charakter dessen, der aus Standhaftigkeit bei der Geißelung schwieg und alles, was die Spötter ihm antaten, mit Sanftmut ertrug, dass er, wie einige meinten, aus Feigheit die Worte gesagt habe: „Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“4 Was nun im Gebet als Ablehnung desjenigen erscheint, was hier als Kelch bezeichnet wird, hat eine Bedeutung, die wir in andern Schriften eingehender geprüft und dargelegt haben. Aber selbst wenn man die Stelle in dem einfachen Wortsinn versteht, so beachte man, ob nicht auch dies Gebet mit der Gott gebührenden frommen Gesinnung gesprochen ist; denn jeder Mensch betrachtet die Trübsal nicht als wünschenswert, sondern erträgt das, was ihm wider seinen Wunsch begegnet, nur, sobald die Umstände es fordern.
Aber die Worte:„Doch nicht was ich will.5 , sondern was du willst“6 , sind nicht von einem gesprochen, der sich in das Unvermeidliche fügt, sondern der willig annimmt, was über ihn kommt, und sich den von der Vorsehung verhängten Leiden ehrerbietig unterwirft.
