10.
Waren seine Anklagen wirklich im gutem Glauben vorgebracht, so mußte Celsus die Weissagungen in ihrem genauen Wortlaute mitteilen, seien es nun solche, in denen der Redende sich für den allmächtigen Gott erklärte, oder solche, in denen man den Sohn Gottes, oder endlich solche, in denen man den Heiligen Geist zu vernehmen glaubte. Denn so hätte er sich dann auch wohl bemühen können, die Aussprüche umzustoßen und zu zeigen, dass diese Reden, welche die Menschen von ihren Sünden bekehren wollten und eine Prüfung der damaligen Zustände und ein Vorauswissen der Zukunft enthielten, nicht von Gott eingegeben waren. Deshalb haben auch die Zeitgenossen der Propheten deren Weissagungen aufgeschrieben und aufbewahrt, damit auch die Nachkommen sie lesen und als Worte Gottes bewundern und Nutzen haben sollten nicht nur von den tadelnden und zur Bekehrung mahnenden Worten, sondern auch von den Voraussagungen der Zukunft, durch deren Eintreffen sie die Überzeugung gewannen, dass der voraussagende Geist ein göttlicher war, und deshalb auch immer einen frommen Wandel führten, wie die S. 652 Lehre ihn verlangt, und dem Gesetz und den Propheten gehorchten. Die Propheten haben nun alles, was von den Zuhörern von vornherein als nützlich und wirksam für die Besserung der Sitten erkannt werden konnte, ohne alle Verheimlichung nach dem Willen Gottes ausgesprochen; alles aber, was geheimnisvoll war und geheime Weihen betraf und mit einer Erkenntnis verbunden war, die über das Verständnis des ganzen Volkes hinausging, legten sie „in Rätseln“ und Bildern und den sogenannten „dunklen Reden“, in Parabeln oder Sprichwörtern, wie man sie heißt1 , vor. Sie handelten so, auf dass diejenigen, welche die Anstrengung nicht scheuten, sondern sich aus Liebe zur Tugend und Wahrheit jeder Mühe unterziehen, nach dem tieferen Sinne forschen, ihn finden und sodann die von der Vernunft geforderte Anwendung davon machen könnten. Unser edler Celsus aber erzürnt sich gleichsam darüber, dass er solche Worte der Propheten nicht verstanden hat, und schmäht sie, indem er sagt: **"
Wenn sie diese Dinge drohend vorgehalten haben, fügen sie der Reihe nach unverständliche, verrückte und ganz unklare Worte hinzu, deren Sinn kein Verständiger herausbringen könnte; denn sie sind dunkel und nichtssagend, geben aber jedem Toren und Betrüger in jeder Hinsicht eine Handhabe, das Gesagte so, wie er will, sich anzueignen.„** Ich meine, er hat diese Äußerung in der arglistigen Absicht gemacht, die Personen, welche auf die Weissagungen stoßen, möglichst davon abzuhalten, sie zu prüfen und ihren Sinn zu erforschen. Er macht es geradeso wie jene Leute, welche an einen, zu dem ein Prophet kam und ihm die Zukunft voraussagte, die Frage sichteten: “Warum ist dieser Verdächtige bei dir eingetreten?"2
