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Wir werden daher gut daran tun, der Frage auf folgende Art nachzugehen. Alles Gute, das uns aus der Hand göttlicher Macht zukommt, nennen wir eine Wirkung der alles in allen wirkenden Gnade, wie der Apostel sagt: „Dies alles aber bewirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden zuteilt, wie er will1.” Fragen wir aber weiter, ob die Gewährung des Guten vom Heiligen Geiste ausgehe und so den Würdigen zukomme, so werden wir wieder von der Schrift zum Glauben geführt, der eingeborne Gott sei das Prinzip und die Ursache für die Gewährung des Guten, das durch den Heiligen Geist in uns bewirkt wird. Daß „alles durch ihn geworden2” und „in ihm Bestand hat3”, ließen wir uns von der Heiligen Schrift lehren. Wenn wir uns nun zu dieser Erkenntnis aufgeschwungen haben, so werden wir wieder von der göttlich inspirierten Wegweiserin geführt und S. 73 belehrt, daß durch jene Kraft alles aus dem Nichts ins Dasein gesetzt wird, daß aber nichts von ihr ausgehe ohne Anfang, sondern daß eine Kraft ist, ungezeugt und anfangslos, welche die Ursache von der Ursache aller Dinge ist. Denn aus dem Vater ist der Sohn, durch den alles ist, mit dem der Heilige Geist immer unzertrennlich verbunden gedacht wird. Man kann sich nämlich des Sohnes nicht bewußt werden, ohne zuvor vom Heiligen Geiste erleuchtet zu sein. Da nun der Heilige Geist, von dem alle Verleihung von Gütern auf die Kreatur niederströmt, mit dem Sohne verbunden ist, mit dem er ohne Trennung zusammengefaßt wird, und weil sein Sein mit der Ursache, dem Vater, von dem er auch ausgeht, zusammenhängt, so hat er zum Kennzeichen seiner persönlichen Proprietät das Merkmal, daß er nach dem Sohne und mit ihm erkannt wird, und daß er seine Substanz aus dem Vater hat. Der Sohn aber, der den vom Vater ausgehenden Geist durch sich selbst und mit sich selbst offenbart und allein eingeboren aus dem ungezeugten Lichte ausstrahlte, hat entsprechend der Eigenheit seiner Merkmale mit dem Vater und Heiligen Geiste keine Gemeinschaft, wird vielmehr an den genannten Merkmalen als einzigechter erkannt. Der über alles erhabene Gott aber hat allein als besonderes Merkmal seiner Persönlichkeit das Vatersein und daß er keiner Ursache sein Dasein verdankt; an diesem Merkmale wird auch er wieder auf eigentümliche Weise erkannt. Deshalb sagen wir, in der Gemeinschaft der Wesenheit sind unvereinbar und nicht mitteilbar die in der Trinität beobachteten Merkmale, durch die die Proprietät der im Glauben überlieferten Personen dargestellt wird, indem jede durch ihre eigenen Merkmale gesondert begriffen wird. So wird mittelst der genannten Merkmale der Unterschied der Personen (Hypostasen) gefunden. In bezug auf die Unermeßlichkeit, Unbegreiflichkeit, auf das Unerschaffen- und Unbegrenztsein und all dergleichen Eigenheiten gibt es in der lebendigmachenden Natur keinen Unterschied, ich meine nämlich beim Vater, Sohn und Hl. Geiste; vielmehr gewahrt man bei ihnen eine innige und untrennbare Naturgemeinschaft. Und in demselben Gedankengang, in dem man die Herrlichkeit einer jener S. 74 drei Personen, die in der heiligen Trinität geglaubt werden, erfaßt, soll man unwandelbar weiter gehen und im Vater, Sohne und Heiligen Geiste die Herrlichkeit schauen, so daß also der Gedankenlauf vom Vater zum Sohne und Heiligen Geiste kein leeres Intervall durchmißt. Denn es gibt nichts, was zwischen sie eingeschoben werden könnte; es gibt neben der göttlichen Natur kein anderes subsistierendes Ding, das diese durch Einschiebung des Fremdkörpers zerteilen könnte, noch gibt es eine Leere eines wesenlosen Raumes, welche die innere Harmonie der göttlichen Wesenheit spalten und durch Einschiebung der Leere den Zusammenhang zerreißen könnte. Vielmehr hat, wer den Vater gedacht, und zwar ihn für sich selbst gedacht hat, auch den Sohn im Gedanken mit aufgenommen. Wer aber diesen erfaßt hat, hat vom Sohne den Geist nicht getrennt, sondern seinen gemeinsamen Glauben an die drei Personen konsequent wohl der Reihe nach, aber deren Naturgemeinschaft wahrend, zum Ausdruck gebracht. Und wer nur vom Geiste redet, hat miteingeschlossen in dies Bekenntnis auch den, dessen Geist er ist. Weil nun der Geist Christi Geist und aus Gott ist, wie Paulus sagt4, so hat gleich dem, der mit der Erfassung des äußersten Gliedes einer Kette zugleich auch das zweitäußerste anzieht, der, welcher den Geist anzog, wie der Prophet sagt5, durch diesen auch den Sohn und den Vater mitangezogen. Und wer den Sohn wirklich erfaßt hat, wird ihn von beiden Seiten halten, auf der einen mit seinem Vater, auf der andern mit seinem eigenen Geiste im Gefolge. Denn der immer im Vater ist, wird sich vom Vater nicht trennen lassen, noch wird je der vom Geiste entbunden werden, der alles in ihm bewirkt. Ebenso hat der, welcher den Vater aufgenommen hat, auch den Sohn und den Geist der Kraft nach mitaufgenommen. Man kann in keiner Weise an eine Teilung oder Trennung denken, so daß entweder der Sohn ohne den Vater gedacht oder der Geist vom Sohne losgetrennt wird; vielmehr gewahrt man in ihnen eine unaussprechliche und S. 75 unbegreifliche Gemeinschaft wie auch eine Unterscheidung, wobei weder der Unterschied der Personen (Hypostasen) die Gemeinsamkeit der Natur zerreißt, noch die Gemeinsamkeit der Wesenheit die Proprietät der Merkmale verwischt. Doch wundere Dich nicht, wenn wir dasselbe Objekt verbunden und unterschieden nennen und wie bei einem Rätsel eine neue und wunderbar verbundene Trennung und ungetrennte Verbindung uns vorstellen. Denn wenn man nicht in streitsüchtiger oder böswilliger Absicht die Auseinandersetzung mitanhört, so kann man etwas Ähnliches auch in der sinnlichen Welt finden.
