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Im folgenden will Celsus dartun, dass das, was Jesus zustieß, Schmerzen und Leiden waren, und dass er trotz seines Willens nicht imstande war, diese zu ändern, und sagt: „ Wozu also jammert und klagt er und wünscht an der Todesangst vorbeizukommen, indem er ungefähr so redet: Vater, wenn es doch möglich wäre, dass dieser Kelch vorüberginge!“1 Man beachte hier des Celsus Bosheit! Statt die Wahrheitsliebe der Verfasser oder Evangelien anzunehmen, die doch das, was nach der Meinung des Celsus einen Vorwurf enthält, verschweigen konnten, aber es aus vielen Gründen, die ein Ausleger des Evangeliums zur rechten Zeit angeben wird, nicht verschwiegen haben, greift er den evangelischen Wortlaut an, wobei er noch übertreibt und Dinge vorbringt, die gar nicht aufgezeichnet sind; denn davon, wie Jesus „klagt“ ist nichts zu finden. Celsus umschreibt die Worte: „Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir“2, führt aber nicht mehr auch jene an, die sofort seine Frömmigkeit und Seelengröße dem Vater gegenüber anzeigen. Diese stehen nach den ersteren und lauten also: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du (willst)“3. Der Gehorsam Jesu gegenüber dem Willen des Vaters, der sich im Ertragen der ihm bestimmten Leiden äußerte, ist zwar in den Worten: „Wenn dieser (Kelch) nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille“4 deutlich zum Ausdruck gebracht; Celsus aber tut so, als hätte er auch diese Worte nicht gelesen. Er handelt hier wie jene gottlosen Menschen, die die heiligen S. 139 Schriften böswillig mißdeuten und „mit ungerechten Worten gegen Gottes Erhabenheit freveln“5. Denn jene glauben zwar, das Wort: „Ich werde töten“ gehört zu haben, und machen es uns oft zum Vorwurf; des andern Wortes aber: „Ich werde machen, dass er lebt“6 erinnern sie sich nicht einmal. Und doch legt die ganze Stelle klar, dass die zum Schaden des Gemeinwesens lebenden und nach ihrer Schlechtigkeit tätigen Menschen von Gott getötet werden, dass ihnen aber ein besseres Leben, wie es Gott geben könnte, dafür gewährt wird, nämlich denen,„die der Sünde gestorben sind“7.
So merkten sich jene das Wort: „Ich werde verwunden“, das andere aber: „Und ich werde heilen“8 sehen sie nicht. Gott spricht in diesen Stellen wie ein Arzt9, der in den Leib des Kranken tiefe Einschnitte macht und ihm schwere Wunden verursacht, um das Schädliche und der Gesundheit Hinderliche aus ihm herauszuholen, und der seine Tätigkeit nicht mit dem Schneiden und den damit verbundenen Schmerzen einstellt, sondern durch ärztliche Behandlung den Körper zu der ihm bestimmten Gesundheit zurückführt. Aber sie haben auch nicht diesen ganzen Satz vernommen; „Denn er bewirkt Schmerzen und heilt auch wieder“, sondern nur den ersten Teil: „Er bewirkt Schmerzen“10. Geradeso macht es nun auch der Jude bei Celsus. Er führt die Worte an: „Vater, wenn doch dieser Kelch vorübergehen könnte“, aber nicht auch die folgenden, aus denen die Vorbereitung und Festigkeit bewiesen wird, mit der sich Jesus den Leiden unterzieht. Diese Stelle würde eine ausführliche Erklärung fordern, die von der Weisheit Gottes mit gutem Grunde denen übertragen werden wird, die Paulus „Vollkommene“ genannt hat, wenn er sagt: „Weisheit aber reden wir unter den Vollkommenen.“11 Wir wollen dies aber für eine S. 140 andere Gelegenheit versparen und uns ein wenig dessen erinnern, was gerade für den augenblicklichen Zweck dienlich ist.
