65.
Und was sage ich: nicht allen erschien er? Nicht einmal mit seinen Aposteln und Jüngern war er immer zusammen, noch erschien er ihnen immer, da sie nicht imstande waren, seinen Anblick fortdauernd zu erfassen. Denn in hellerem Glanze leuchtete seine Göttlichkeit, nachdem er sein Werk vollbracht hatte. Diese S. 185 zu schauen war Kephas, der Fels1, gleichsam "der Erstling"2 der Apostel, fähig, und nach ihm die Zwölf, als Matthias an des Judas Stelle getreten war3, und nach diesen <erschien er mehr als4> fünfhundert Brüdern auf einmal"; darauf erschien er dem Jakobus, dann den übrigen Aposteln alle, außer den Zwölfen, worunter vielleicht die Siebenzig5 zu verstehen sind, "zuletzt aber von allen" erschien er dem Paulus, der, gleichsam "eine unzeitige Geburt"6, wohl wußte, warum er sagte: "Mir, dem geringsten von allen Heiligen wurde diese Gnade verliehen"7. Die Ausdrücke "der geringste" und "unzeitige Geburt" besagen vielleicht dasselbe. Wie man nun Jesus nicht leicht deshalb tadeln würde, dass er nicht sämtliche Apostel mit sich auf den hohen Berg nahm, sondern nur die oben erwähnten drei, damals als er sich verwandeln und den Lichtglanz seiner Gewänder und die Herrlichkeit des Moses und Elias, die sich mit ihm unterredeten, sehen lassen wollte8, so dürfte man wohl auch nicht mit Grund den apostolischen Schriften daraus einen Vorwurf machen, dass sie Jesus nach seiner Auferstehung nicht allen erscheinen lassen, sondern nur denen, deren Auge wie er sah, die Fähigkeit gewonnen hatte, seine Auferstehung zu schauen.
Zur Rechtfertigung des eben Gesagten ist aber, wie ich glaube, auch der folgende Ausspruch über Jesus mit Nutzen zu verwenden: "Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, dass er über Tote und Lebendige Herr sei"9. Man beachte, daß es hier heißt, Jesus sei "gestorben, daß er über tote Herr sei", und S. 186 "er sei auferstanden", dass er nicht nur "über Tote", sondern auch "über Lebendige Herr sei". Über diesen "Toten, über die Christus Herr ist", versteht der Apostel ohne Zweifel dieselben, von denen er in seinem ersten Brief an die Korinther sagt: "Denn die Trompete wird ertönen, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich"10, unter den "Lebendigen" aber diejenigen11, "die verwandelt werden sollen" und von den Toten, die "auferweckt werden sollen", verschieden sind. Auf "die Lebendigen" beziehen sich die Worte; "Und wir werden verwandelt werden", die sich unmittelbar an den Satz anschließen: "Die Toten werden zuerst auferweckt werden"12. Dieselbe Unterscheidung macht er auch mit andern Worten in seinem ersten Brief an die Thessalonicher, wenn er hier Entschlafene und Lebendige unterscheidet. Er sagt: "Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Ungewissheit lassen über die, die entschlafen, dass ihr nicht betrübt seid wie die übrigen die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott durch Jesus die Entschlafenen herbeibringen mit ihm. Denn das sagen wir euch mit einem Worte des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen nicht zuvorkommen werden"13. Die uns richtig scheinende Erklärung dieser Stelle haben wir in unserer Auslegung des ersten Briefes an die Thessalonicher abgegeben.
