25.
Wir wiesen bereits oben1 darauf hin, dass es von Jesus teils Äußerungen als von „dem Erstgeborenen aller Schöpfung“2 gibt, z.B. diese: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“3 und dergleichen, teils solche des in ihm gedachten Menschen, wie wenn er spricht: „Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich vom Vater gehört habe“4. Hier aber, wo seine menschliche Natur redet, schildert er die Schwäche des menschlichen Fleisches und die Bereitwilligkeit des Geistes: die Schwäche, wenn er sagt: „Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir“, und die Bereitwilligkeit des Geistes, wenn er beifügt: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du (willst)“5. Wenn man aber auch die Aufeinanderfolge der Worte beachten muß, so ist zu bedenken, wie im Anfang sozusagen die Schwäche des Fleisches sich ausspricht, und zwar nur in einem Ausdruck, sodann, und zwar in mehreren Wendungen, die Bereitwilligkeit des Geistes. Denn die Worte: "Vater, ist's möglich, so gehe dieser kelch von mir" bilden nur ein Glied, hingegen die Worte: "Nicht wie ich will, sondern wie du (willst)", und die weiteren: „Mein Vater, wenn dieser (Kelch) nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille“6, bilden mehrere Glieder.
Es darf auch nicht übersehen werden, dass es nicht (einfach) heißt: „Es gehe dieser Kelch von mir“, dass vielmehr alle diese Worte:„Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir“ mit Frömmigkeit und Ergebenheit7 gesprochen sind. Ich weiß aber, dass S. 141 jemand auch folgende Erklärung zu dieser Stelle <gegeben hat8>, diese nämlich: Der Erlöser sah, welche Leiden über das Volk und über Jerusalem kommen sollten zur Vergeltung der Freveltaten, die die Juden an ihm verübt hatten. Aus keinem anderen Grunde, als weil er mit ihnen Mitleid hatte und das Volk vor den kommenden Drangsalen bewahren wollte, sprach er die Worte: „Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir!“9 Es ist so viel, als ob er sagte: Da das ganze Volk von dir verworfen werden wird, wenn ich diesen Kelch des Leidens trinke, so bitte ich, „dass dieser Kelch an mir vorübergehe, wofern es möglich ist“, auf dass dein Erbteil, wenn es an mir gefrevelt hat, nicht ganz von dir verworfen werde10. Hätte aber, wie Celsus sagt, „Jesus damals weder Schmerzen noch Qualen erlitten“ wie hätten dann die später lebenden Christen ihn zum Vorbild dafür nehmen können, wie die Verfolgungen um des Glaubens willen zu ertragen seien, wenn er nämlich die Leiden, wie sie die Menschen auszustehen haben, nicht wirklich, sondern nur scheinbar erduldet hätte?
