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Der Jude bei Celsus erklärt aber die Erzählungen von den Helden, die in die Unterwelt hinabgestiegen und von dort zurückgekehrt sein sollen, für Lug und Trug. Er meint nämlich, die Helden wären eine Zeitlang unsichtbar geworden und hätten sich aus den Augen aller Menschen heimlich weggestohlen, dann aber sich wieder gezeigt und vorgegeben, sie seien aus der Unterwelt zurückgekommen; denn sein Bericht von dem Wirken "des Orpheus bei den Odrysen", dem "des Protesilaos in Thessalien", dem "des Herakles zu Tänaron" und endlich von dem "des Theseus" scheint solches anzudeuten. Wir wollen ihm nun den Nachweis liefern, dass mit diesen Fabeln der Bericht über die Erweckung Jesu von den Toten nicht verglichen werden kann. Alle diese Helden, von denen die verschiedenen Ortssagen erzählen, konnten sich ganz nach Belieben aus den Augen der Menschen heimlich wegstehlen und, wenn es ihnen gefiel, zu denen zurückkehren, die sie verlassen hatten. Jesus aber wurde vor allen Juden gekreuzigt, und sein Leib wurde im Angesichte des ganzen Volkes vom Kreuze herabgenommen; wie ist es da möglich zu sagen, er habe etwas Ähnliches erdichtet wie die Heroen, die die Sage in die Unterwelt hinabsteigen und von dort wieder zurückkommen läßt?
Unserer Meinung nach dürfte zur Verteidigung des Kreuzestodes Jesu besonders wegen der Erzählungen von den Heroen, die nach dem Volksglauben mit Gewalt in die Unterwelt hinabgestiegen sind, auch folgendes bemerkt werden. Wenn wir annehmen wollten, Jesus wäre in der Verborgenheit gestorben und nicht so, dass sein Tod dem ganzen Volke der Juden offenbar gewesen wäre, und dann sei er wahrhaft von den Toten auferstanden, so wäre es möglich, auch von ihm dasselbe zu sagen, was sich von den Heroen argwöhnen läßt. Dafür, dass Jesus gekreuzigt wurde, könnte außer andern Ursachen noch diese angegeben werden, dass er vor aller Augen am Kreuze gestorben ist, damit S. 176 niemand sagen konnte, er habe sich absichtlich den Blicken der Menschen entzogen und sei nur scheinbar, aber nicht wirklich gestorben, sondern, sobald er wollte wieder erschienen und habe die Auferstehung von den Toten betrügerisch vorgegeben. Die völlige Hingabe der Jünger an seine Lehre, deren Bekenntnis bei den damaligen Zeitverhältnissen mit den größten Gefahren verbunden war, ist nach meinem Dafürhalten ein klarer und augenscheinlicher Beweis seiner Auferstehung. Hätten sie die Auferweckung Jesu von den Toten nur erdichtet, so hätten sie diese Lehre nicht so kräftig verkündet; sie hätten auch dementsprechend1 weder andere dazu vorbereitet, den Tod gering zu achten, noch wären sie diesen selbst mit ihrem Beispiel vorangegangen.
Siehe Scan. ↩
