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Ohne zu merken, daß seine Worte mit dem Satze: „Handelten nämlich alle so wie du“ in Widerspruch stehen, fährt Celsus fort: „Das wirst du doch nicht behaupten wollen, daß, wenn die Römer dir Glauben schenkten und ihren den Göttern und Menschen gegenüber herkömmlichen Bräuchen entsagten und dann deinen “Höchsten„, oder wen du auch willst, anriefen, daß er dann vom Himmel herabsteigen und für sie streiten würde, so daß sie keine andere Hilfe mehr brauchten. Denn ihr seht, wieviel derselbe Gott, der vorher, wie ihr sagt, seinen Anhängern diese und noch viel größereVersprechen machte, jenen und euch genützt hat. Statt Herren der ganzen Erde zu sein, ist jenen nicht eine Feuerstätte übriggeblieben; wenn S. 818 aber von euch noch der eine oder der andere heimlich umherirrt, so wird er doch aufgesucht, um Todesstrafe zu leiden.“
Da Celsus die Frage aufwirft, was wohl geschehen würde, „wenn die Römer“ die christliche Lehre annähmen, ihre Pflichten gegen die angeblichen Götter und die alten bei den Menschen gültugen Gesetze vernachlässigten und „den Höchsten“ verehrten, so mag er unsere Meinung hierüber hören: Wenn wirklich die Verheißung gilt:„Sobald zwei“ von uns „auf der Erde über irgendeine Sache einig sind, so wird, wenn sie darum bitten, sie ihnen von dem Vater“ der Gerechten „im Himmel zuteil werden“ -- denn Gott freut sich über die Einigkeit der vernnünftigen Wesen und wendet sich ab von ihrer Uneinigkeit --, so sagen wir: Was muß man wohl erwarten, wenn nicht nur wie jetzt sehr wenige übereinstimmen würden, sondern das ganze von den Römern beherrschte Reich? Sie würden dann zu dem Worte beten, das einstmals zu den Hebräern, als diese von den Ägyptiern verfolgt wurden, sagte: „Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet euch ruhig verhalten“; und wenn sie alle sich zu gemeinsamem Gebete vereinten, so würden sie weit mehr Feinde und Verfolger vernichten können, als das Gebet des Moses und seiner Leute, die mit ihm zu Gott riefen, vernichtet hat. Wenn aber das, was Gott den Gesetzestreuen verheißen hat, nicht eingetreten ist, so liegt der Grund hiervon nicht darin, daß Gott unwahrhaftig wäre, sondern darin, daß die Verheißungen an Bedingungen geknüpft sind, die in Beobachtung des Gesetzes und einem Leben nach dem Gesetze bestehen. Und wenn den Juden, die ihre Verheißungen unter Bedingungen erhalten haben, weder „eine Scholle Landes“ noch „eine Feuerstätte ügriggeblieben ist“, so muß man die Schuld daran ihrer Ruchlosigkeit im ganzen, besonders aber ihrem Frevel an Jesus zuschreiben.
