X.
S. 39 Hierauf unternahm Cyrus, der Perserkönig, nach einem großen Zwischenraum, nämlich von nahezu 650 Jahren, wie Trogus Pompejus bezeugt, gegen die Königin der Geten Tomyris einen für ihn unheilvollen Krieg. Übermütig gemacht durch seine Siege in Asien, strebte er die Geten zu unterwerfen, deren Königin, wie gesagt, Tomyris war. Obgleich ihn diese am Übergang über den Fluß Abraxes hätte verhindern können, ließ sie ihn doch herüberkommen, in dem sie es vorzog, ihn mit den Waffen in der Hand zu besiegen, statt ihn durch die Gunst der Örtlichkeit fern zu halten. So geschah es auch. Als nun Cyrus kam, begünstigte das Glück anfangs die Parther so sehr, daß sie den Sohn der Tomyris und den größten Teil ihres Heeres töteten. Aber bei Wiederaufnahme des Kampfes schlugen die Geten mit ihrer Königin das Partherheer bis zur Vernichtung und machten reiche Beute; hierbei sah auch das Volk der Goten zum erstenmal sirische Zelte. Hierauf zog die Königin Tomyris, noch mächtiger durch diesen Sieg und nachdem sie sich einer so reichen Beute bemächtigt hatte, in den Teil Mösiens, der jetzt mit Entlehnung seines Namens nach Großscythien Kleinscythien heißt, und erbaute an der mösischen Küste des Pontus nach ihrem Namen die Stadt Thomes. Später verlangte der Perserkönig Darius, des Hystaspes Sohn, die Tochter des Gotenkönigs Antyrus zur Frau unter Bitten und Drohungen, wenn man seinen Willen nicht erfüllte. Die Goten aber verachteten die Verwandtschaft mit ihm und machten seine Gesandtschaft vergeblich. Wütend über diese schimpfliche Zurückweisung zog er mit 700000 Bewaffneten gegen sie, um sich für die ihm S. 40 zugefügte Beschimpfung durch eine Bestrafung des Volkes zu rächen. Ungefähr von Chalzedon bis nach Byzanz stellte er Schiffe wie eine Brücke zusammen und verband sie miteinander; dann zog er gegen Mösien und Thrazien; über die Donau baute er eine ähnliche Brücke, wurde aber zwei Monate lang durch häufige Kämpfe bei Tapä heimgesucht und verlor 8000 Mann, darnach eilte er aus Besorgnis, die Donaubrücke möchte von seinen Feinden besetzt werden, in schleunigster Flucht nach Thrazien zurück; nicht einmal in Mösien glaubte er sich in Sicherheit, um eine kurze Zeit verweilen zu können. Nach seinem Tode beschloß Xerxes, die Schmach, die sein Vater erlitten hatte, zu rächen, und überzog mit 700000 Mann eigenen und 300000 Mann Hilfstruppen, 1200 Kriegsschiffen und 35000 Lastschiffen die Goten mit Krieg, wagte aber durch ihren Mut und ihre Festigkeit besiegt, keinen Kampf. Denn er zog wieder ohne zu schlagen, wie er gekommen war, mit seinem Heere ab. Auch Philipp, der Vater Alexanders des Großen, knüpfte Freundschaft mit den Goten an und nahm Medopa, die Tochter ihres Königs Gudila, zur Frau, um durch solche Verwandtschaft gestärkt, die Herrschaft der Mazedonier zu befestigen. In jener Zeit gedachte - nach dem Bericht des Geschichtschreibers Dio - Philipp, welcher an Geldmangel litt, mit Heeresmacht Odyssitana, eine Stadt Mösiens, die damals wegen der Nachbarschaft von Thomes den Goten unterworfen war, zu plündern. Da kamen jene Priester der Goten, welche die Frommen hießen, nachdem plötzlich die Tore geöffnet waren, unter Zitherspiel in weißen Kleidern heraus und riefen im Bittgesang die heimischen Götter an, daß sie hilfreich die Mazedonier vertreiben möchten. Als die Mazedonier diese so zuversichtlich auf sich S. 41 zukommen sahen, stutzten sie, und sie, die Bewaffneten, wurden, wenn man so sagen darf, von den Unbewaffneten in Schrecken gesetzt. Unverzüglich lösten sie das Heer auf, das sie zum Krieg ausgerüstet hatten, ließen von der Zerstörung der Stadt ab und gaben sogar die, welche sie nach Kriegsrecht außerhalb gefangen genommen hatten, los, schlossen Frieden und kehrten dann zu den Ihrigen zurück. Im Angedenken an diesen Streich bekriegte lange Zeit später ein ausgezeichneter Führer der Goten, Sithalkus, mit 150000 Mann, verbündet mit den Athenern, Perdikkas, den König der Mazedonier. Diesen hatte Alexander, als er in Babylon von der Hand eines treulosen Dieners den Tod trank, nach dem Erbrecht als Nachfolger in der Herrschaft über die Athener zurückgelassen. Aus einer großen Schlacht mit ihm gingen die Goten als Sieger hervor, und so zogen diese für jenes alte in Mösien erlittene Unrecht nach Griechenland und verwüsteten Mazedonien.
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