XLI.
S. 105 Während dieses Aufenthalts mit der Belagerung vermißten die Wesegoten ihren König, die Söhne den Vater, und wunderten sich über seine Abwesenheit, da sie doch von glüchlichem Erfolg begleitet gewesen waren. Und da sie nach längerem Suchen ihn mitten in den dichtesten Haufen der Leichen, wie es tapfern Männern geziemt, gefunden hatten, ehrten sie sein Andenken mit Liedern und trugen ihn angesichts der Feinde fort. Da sah man die Scharen der Goten, wie sie noch während der Wut des Kampfes mit ihren unharmonischen Stimmen der Leiche die letzte Ehre erwiesen. Tränen wurden vergossen, aber solche, die tapfern Männern nachgeweint zu werden pflegen. Denn es war ein Tod, doch ein ruhmvoller, wie auch die Hunnen bezeugten, so daß man glaubte, der Feinde Stolz würde sich beugen, wenn sie die Bestattung eines so großen Königs mit allen seinen Ehrenzeichen untätig mit anschauen müßten. Die Goten aber erfüllten die Pflicht der Leichenfeier gegen Theodorid und trugen unter Waffenschall den hehren König fort. Der Held Thorismund folgte hinter den sterblichen Resten des heißgeliebten, hochberühmten Vaters dem Leichenzug, wie es für den Sohn sich schickt. Nachdem dies beendet war, befragte er, ergriffen von Schmerz über seine Verwaisung und vom Drang der Tapferkeit, die ihn auszeichnete, da er an den übrigen Hunnen seines Vaters Tod zu rächen strebte, den Patrizius Aetius als den älteren und an Erfahrung gereifteren Mann darüber, was unter den jetzigen Umständen zu tun sei. Der aber fürchtete nach völliger Vernichtung der Hunnen Unterdrückung des Römischen Reiches von den Goten und gab ihm den Rat, in seine Heimat S. 106 zurückzukehren und sich der von seinem Vater hinterlassenen Herrschaft zu bemächtigen, damit nicht seine Brüder die Schätze des Vaters an sich rissen und der Wesegoten Reich an sich zögen, und er dann mit den Seinigen ernstlich, und was noch schlimmer sei, unglücklich kämpfen müßte. Diese Antwort nahm er nicht so heimtückisch, wie sie gegeben war, sondern als eine auf sein Bestes abzielende auf, ließ ab von den Hunnen und kehrte nach Gallien zurück. So verdirbt die menschliche Gebrechlichkeit, indem sie befürchteten Gefahren begegnen will, häufig die Gelegenheit, große Taten zu vollführen. In diesem hochberühmten Kampf der tapfersten Völker berichtet man von 165 000 Gefallenen auf beiden Seiten, abgesehen von 15000 Gepiden und Franken, die vor der eigentlichen Feldschlacht nachts aufeinander stießen und einander zusammenhieben, indem die Franken für die Römer, die Gepiden für die Hunnen fochten.
Als Attila den Abzug der Goten erfuhr, hielt er, wie man gewöhnlich bei unerwarteten Vorgängen vermutet, es mehr für eine Kriegslist der Gegner und blieb noch länger im Lager. Als aber anhaltende Stille infolge der Abwesenheit der Feinde eintrat, da richtete sich sein Geist wieder zu Siegeshoffnungen auf; schon im voraus genoß er die Freude, und des Königs Geist schweifte zum früheren Glück zurück. Thorismund also zog, nachdem er den toten Vater gleich noch auf den Katalaunischen Feldern, wo er auch gekämpft hatte, mit königlichen Ehren bestattet hatte, in Tolosa ein. Wiewohl er sich nun einer Schar tapferer Brüder erfreute, herrschte er doch im Anfang mit solcher Mäßigung, daß kein Erbfolgestreit stattfand.
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