LVII.
S. 143 Die Nachricht von der Erhebung Theodorichs zum König bei seinem Volke nahm der Kaiser Zeno freudig auf; er schickte einen Einladungsbrief an ihn, worin er ihn aufforderte, zu ihm nach Konstantinopel zu kommen. Hier empfing er ihn mit den gebührenden Ehren und gesellte ihn den Großwürdenträgern im Palast bei. Nach einiger Zeit nahm er ihn, um seine Ehre noch zu erhöhen, als Waffensohn an und gewährte ihm aus seinen eigenen Mitteln einen Triumphzug in der Stadt; er wurde zum ordentlichen Konsul erhoben, eine Auszeichnung, die für die höchste Zierde in der Welt gilt; aber nicht genug damit - er ließ auch ein Reiterstandbild zur Ehre eines so großen Mannes vor dem kaiserlichen Schloß aufstellen. Während Theodorich so in enger Verbindung mit Zenos Reich in Konstantinopel alles Gute genoß, und zu hören bekam, sein in Illyrikum, wie wir oben erwähnt haben, wohnendes Volk befinde sich durchaus nicht in Wohlstand und Überfluß, zog er es vor, nach der Sitte seines Stammes sein Leben zu einem tatenreichen zu machen, statt in träger Ruhe die Güter des Römischen Reiches zu genießen, während sein Volk ein dürftiges Leben führe. In dieser Absicht sprach er zum Kaiser: „Obgleich es mir, da ich deiner Herrschaft diene, an nichts gebricht, so möge doch eure Gnade, wenn sie es für gut hält, meines Herzens Wunsch gütig vernehmen“. Als ihm nun, wie gewöhnlich, freundlich die Erlaubnis erteilt war, sagte er: „Warum schwankt Hesperien, das lange unter eurer Vorgänger und Vorvorgänger Herrschaft stand, und jene Stadt, das Haupt und die Herrin der Welt, nun unter der Willkür des Königs der Torkilingen und Rugier hin und S. 144 her? Schicke mich mit meinem Volk, wenn du willst, dorthin, damit du hier die schwere Kostenlast los wirst und dort, wenn ich mit Gottes Hilfe siege, der Ruhm eurer Frömmigkeit aufstrahle.
Denn es ist für euch von Vorteil, wenn ich, euer Knecht und Sohn, nach dem Sieg jenes Reich aus eurer Hand zum Besitz erhalte, nicht aber jener, den ihr nicht kennt, mit dem Joch seiner Willkürherrschaft, euern Senat und einen Teil des Reiches in knechtischer Gefangenschaft bedrückt; denn wenn ich siege, werde ich es durch eure Gnade und als euer Geschenk besitzen; wenn ich unterliege, wird eure Frömmigkeit nichts verlieren; im Gegenteil, sie wird die Kosten für uns sparen". Darauf willfahrte der Kaiser, wiewohl er über sein Scheiden betrübt war, da er ihn nicht kränken wollte, seinem Verlangen und entließ ihn reichbeschenkt, indem er ihm den Senat und das Römische Reich anbefahl. So verließ Theodorich die Kaiserstadt und kehrte zu den Seinigen zurück. [489] Hier nahm er das ganze Volk der Goten, jedoch nur so viele davon ihm ihre Zustimmung gaben, mit sich und brach auf nach Hesperien.
Er zog gerades Weges durch Sirmis, durch das benachbarte Pannonien und betrat dann das venetische Gebiet. Bei der sogenannten Sontiusbrücke schlug er sein Lager auf, und nachdem er hier zur Erholung von Menschen und Vieh ein wenig stille gehalten hatte, schickte Odoaker ein Heer gegen ihn.
Theodorich zog ihm entgegen und vernichtete es in der Ebene von Verona in einer großen Schlacht. Hierauf brach er sein Lager ab und rückte mit größerer Zuversicht in Italien ein. Nachdem er den Padus überschritten hatte, schlug er bei der Kaiserstadt Ravenna sein Lager auf, S. 145 ungefähr drei Meilen von derselben entfernt an einem Ort, der Pineta heißt. Als dies Odoaker sah, zog er sich in die feste Stadt zurück; heimlich bei Nacht führte er öfter die Seinigen heraus, um das Heer der Goten zu beunruhigen, und nicht ein- oder zweimal, sondern häufig, und trieb es so fast volle drei Jahre. Aber er machte vergebliche Anstrengungen; denn schon nannte ganz Italien Theodorich seinen Herrn, und nach dessen Willen handelte das ganze Land.
Nur Odoaker allein mit wenigem Gefolge und den Römern, die bei ihm waren, hatte täglich von Hungersnot und vom Krieg innerhalb Ravenna zu leiden. [495] Da er nichts ausrichtete, schickte er eine Gesandtschaft und bat um Gnade.
Zuerst versprach sie ihm auch Theodorich; nachher aber nahm er ihm das Leben. Im dritten Jahr nach seinem Einrücken in Italien gab er auf den Rat des Kaisers Zeno die Tracht eines Untertans und die Kleidung seines Volkes auf, nahm die Zeichen königlichen Schmuckes an als König der Goten und Römer, schickte eine Gesandtschaft an den Frankenkönig Lodoin und bat ihn um seine Tochter Audefleda zur Ehe. Gern und bereitwillig gab sie ihm derselbe, da er glaubte, daß seine Söhne Celdebert und Heldebert und Thiudebert durch diese Verbindung in freundschaftliche Beziehungen zum Gotenvolke kämen. Aber dieses Verhältnis half wenig zur Wahrung des Friedens, weil sie oft wegen gallischer Landstriche schwere Kämpfe miteinander hatten. Nie wich der Gote vor dem Franken, so lange Theodorich lebte.
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