XL.
S. 102 Und obwohl die Lage selbst eine furchtbare war, die Gegenwart des Königs befreite auch die Ängstlichen von jedem Zaudern. Es kam zum Handgemenge; ein schrecklicher Kampf, ein gewaltiger, vielförmiger, mit Hartnäkckigkeit geführt, von dessengleichen nirgends im Altertum berichtet wird, wo derartige Taten erzählt werden, so daß der, der dieses Wunders Anblick genoß, nichts Großartigeres in seinem Leben hätte sehen können. Denn, wenn man den Erzählungen der älteren Leute glauben darf, das Bächlein, das in niederen Ufern an der erwähnten Ebene vorbeifließt, schwoll von dem reichlichen Blut der Wunden der Getöteten an und wuchs nicht wie sonst durch Regengüsse, sondern wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit durch des Blutes Zufluß ein reißender Gießbach. Und die, welche dort eine Verwundung den brennenden Durst zu stillen nötigte, schlürften das Naß mit Blut vermischt. So tranken sie, durch ein klägliches Schicksal umstrickt, das Blut, das sie aus ihrer Wunde vergossen. Da wurde auch der König Theodorid, während er ermutigend sein Heer durcheilte, vom Pferde gerissen; und von den Füßen der Seinigen zertreten, endete er in frühem Alter. Andere dagegen behaupten, er sei vom Geschoß des Andagis auf der Seite der Ostrogoten, die damals Attilas Fahnen folgten, gefallen. Das wars, was die Wahrsager früher dem Attila verkündet hatten, obwohl er es auf Aetius bezogen hatte. Da trennten sich die Wesegoten von den Alanen und drangen auf die Scharen der Hunnen ein; und fast hätten sie den Attila getötet, wenn er nicht vorher vorsichtig geflohen wäre und sich und die Seinen sogleich in das Gehege seines Lagers, das S. 103 er mit Wagen umgeben hatte, eingeschlossen hätte. Wenngleich dies nur eine gebrechliche Schutzwehr bildete, so suchten doch dort diejenigen Fristung ihres Lebens, denen kurz zuvor kein Mauerwall hatte widerstehen können. Thorismund aber, des Königs Theodorid Sohn, der mit Aetius den Hügel vorweggenommen und die Feinde von der Höhe herabgejagt hatte, geriet, im Glauben zu seinen Truppen zu kommen, in finstrer Nacht ahnungslos mitten in die Wagen der Feinde. Als er tapfer kämpfte, zog ihn, der schon am Kopf verwundet war, jemand vom Pferde herab; und dann ließ er, durch die Fürsorge der Seinigen befreit, ab von des Kampfes Anstrengung. Aetius, der ähnlich bei der Verwirrung während der Nacht von Feinden umherschweifte, ängstlich, ob den Goten kein Unglück zugestoßen sei, und als er endlich zum Freundeslager kam, verbrachte er den Rest der Nacht unter schützenden Schilden. Als man am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang die angehäuften Leichen auf den Feldern erblickte und sah, daß die Hunnen keinen Ausfall wagten, hielt man den Sieg für gewonnen; aber man wußte, daß Attila nur nach einer großen Niederlage fliehe. Jedoch tat er nicht, wie einer, der darniedergeworfen ist, sondern unter Waffenlärm ließ er die Hörner blasen, und drohte mit einem Angriff, wie ein Löwe, der den Jagdspeer in der Seite trägt, am Eingang seiner Höhle auf- und abgeht und nicht wagt aufzuspringen, sondern unaufhörlich mit seinem Gebrüll die Nachbarschaft schreckt. So ängstigte der kriegerische König seine Besieger noch, als er eingeschlossen war. Darum kamen Goten und Römer zusammen und berieten, was anzufangen sei betreffs des überwundenen Attila. Man beschloß, ihm mit einer Belagerung zuzusetzen, da er S. 104 keine Getreidevorräte hatte, und von ihren Bogenschützen, die in der Lagerumzäunung aufgestellt waren, der Zutritt durch einen Hagel von Pfeilen verhindert wurde. Man sagt aber, der König, der auch in der verzweifelten Lage seine Seelenstärke bis zuletzt bewahrte, habe aus Pferdesätteln einen Scheiterhaufen errichten lassen und, falls die Feinde eindringen sollten, sich in die Flammen stürzen wollen, damit niemand die Freude haben solle, ihn zu verwunden, oder er, der Beherrscher so vieler Völker, in die Hände seiner Feinde fiele.
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