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S. 126 Darnach brach - gewöhnlich ja stachelt die Herrschsucht die Jugend - unter den Nachfolgern Attilas ein Streit um das Reich aus, und da sie töricht alle zu herrschen begehrten, verloren sie alle zugleich die Herrschaft. So ist oft für Königreiche der Überfluß an Thronfolgern verhängnisvoller als der Mangel. Denn die Söhne Attilas, die wegen dessen unbeschränkter Wollust fast ein ganzes Volk bildeten, forderten eine gleichmäßige Verteilung der Völker unter sich, so daß die kriegerischen Könige mit ihren Völkern wie Leibeigene verlost würden. Als dies der Gepidenkönig Ardarich erfuhr, erhob er sich zuerst, entrüstet darüber, daß über das Schicksal so vieler Völker wie über das der gemeinsten Sklaven verhandelt werde, gegen Attilas Söhne und schüttelte glücklich das schmähliche Joch der Knechtschaft ab, und nicht nur sein Volk, sondern auch die übrigen, die ebenso gedrückt waren, erlöste er durch seinen Abfall; denn alle greifen gern bei dem, was zum Wohle aller unternommen wird, mit an. Nun rüstete man sich zum gegenseitigen Vernichtungskrieg. In Pannonien an dem Fluß, der Nedao heißt, kam es zum Kampf. Hier stießen die verschiedenen Völker aufeinander, welche Attila in seiner Botmäßigkeit gehalten hatte. Die Reiche spalteten sich mit den Völkern, und aus einem Körper wurden verschiedene Glieder, welche nicht mehr das Leid tragen halfen, wenn eines litt, sondern nach Vernichtung des Hauptes gegeneinander wüteten; die tapfersten Stämme, die nie auf einen ebenbürtigen Feind gestoßen wären, wenn sie nicht sich selbst zerfleischten, wollten sich selbst aufreiben. Wahrlich, das muß ein bewundernswertes Schauspiel gewesen sein, wo S. 127 man sah den mit Spießen kämpfenden Goten, den mit dem Schwert wütenden Gepiden, der seine Waffe in der Wunde der Rugier zerbricht, den Suawen, der mit seiner Geschwindigkeit, den Hunnen, der mit dem Bogen sich hervortut, den Alanen, der in schwerer Rüstung, den Heruler, der mit leichter Bewaffnung zum Kampfe schreitet. Nach langem, schwerem Streit also lächelte den Gepiden ein unverhoffter Sieg. Denn an dreißigtausend der Hunnen und der andern Völker, die zu ihnen hielten, tötete des Ardarich und seiner Mitverschworenen Schwert.
In dieser Schlacht fiel Attilas ältester Sohn, namens Ellak, den sein Vater so sehr vor allen übrigen geliebt haben soll, daß er ihn seinen sämtlichen verschiedenen andern Söhnen im Reich vorzog. Aber nicht stimmte das Schicksal mit des Vaters Wunsch überein. Nachdem er viele Feinde erschlagen, soll er mannhaft kämpfend gefallen sein, so daß sein Vater - hätte er noch gelebt - sich einen ebenso ruhmvollen Tod gewünscht hätte. Nach seinem Tode aber wurden seine Brüder an die Küste des Pontischen Meeres getrieben, wo unserer früheren Erzählung zufolge die Goten gesessen hatten. So unterlagen die Hunnen, vor denen nach allgemeiner Erwartung die Welt hatte unterliegen sollen.
So verderblich ist die Zwietracht, daß nach der Trennung die zusammenstürzten, die bei vereinigten Kräften der Schrecken der übrigen gewesen waren. Dieser Erfolg des Gepidenkönigs Ardarich war den verschiedenen Völkern glückbringend, die widerwillig der Herrschaft der Hunnen gedient hatten; ihre lange Zeit tieftraurigen Gemüter richtete dies zur Freude der ersehnten Freiheit auf. Viele schickten Gesandte ins Römische Reich, wurden S. 128 vom damaligen Kaiser Marcian sehr freundlich aufgenommen und erhielten Wohnsitze zum Anbau zugeteilt.
Die Gepiden nämlich nahmen das bisherige Gebiet der Hunnen mit Gewalt für sich in Anspruch, bemächtigten sich als Sieger des ganzen Daziens und bedangen sich in einem Freundschaftsvertrag mit den Römern nur Frieden und Jahrgelder als tapfere Männer aus. Der Kaiser bewilligte dies gern, und bis heute erhält dieses Volk vom römischen Kaiser das herkömmliche Geschenk. Als aber die Goten sahen, daß die Gepiden die Wohnsitze der Hunnen siegreich behaupteten, die Hunnen aber ihre eigenen alten Wohnsitze besetzten, zogen sie es vor, das Römische Reich um Land zu bitten, statt mit eigener Gefahr in ein fremdes einzudringen, und bekamen Pannonien, eine weithin sich erstreckende Ebene mit dem Obern Mösien im Osten, Dalmatien im Süden, Norikum im Westen, der Donau im Norden, ein Land, das mit sehr vielen Städten geziert ist, von denen die nächste Syrmis, die letzte Vindomina ist.
Die Sauromaten ferner, die wir Sarmaten nennen, die Zemandrer und Teile der Hunnen bewohnten Landstücke, welche sie in Illyrikum bei der Stadt Kastramartena erhalten hatten. Zu ihnen gehörte Bliwila, der Herzog der Pentapolis, und sein Bruder Froila und in unserer Zeit der Patrizius Bessa. Die Skyren aber, die Sadagarier und einige Alanen mit ihrem Anführer Kandak bekamen Kleinscythien und das Untere Mösien. Paria, der Vater meines Vaters Alanoviiamuthis, das heißt mein Großvater, war der Notar dieses Kandak, so lange er lebte, und bei seinem Schwestersohn Gunthik, der Heermeister, der auch Baza genannt wurde, und ein Sohn des Andages, des Sohnes des Andela aus dem Geschlecht der Amaler S. 129 war, war ich, Jordanis, wiewohl ich kein Gelehrter bin, ebenfalls vor meiner Bekehrung Notar.
Die Rugier aber und einige andere Stämme baten um die Erlaubnis zur Niederlassung in Bizzis und Arkadiopolis. Auch Hernak, ein jüngerer Sohn Attilas, wählte sich zum Wohnort für die Seinigen die äußersten Teile von Kleinscythien. Seine Vettern Emnetzur und Ultzindur bemächtigten sich in Uferdazien der Städte Utus, Hiskus und Almus; und viele Hunnen eilten von überall herzu und unterwarfen sich, indem sie Wohnsitze in Romanien erhielten; von diesen nennt man noch heute die Sakromontisier und Fossatisier.
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