LX.
S. 151 Als dies der oströmische Kaiser Justinian vernahm, wurde er davon so heftig ergriffen, als ob der Tod seiner Schutzbefohlenen ihn selbst träfe.
Darum schickte er, da er in derselben Zeit in Afrika [555] über die Wandalen durch seinen getreuen Patrizius Belesar einen glänzenden Sieg errungen hatte, unverzüglich unter demselben Feldherrn sein Heer gegen die Goten, [555] während die Waffen noch vom Wandalenblut troffen.
In seiner höchst weisen Voraussicht glaubte Belesar, daß er das Volk der Goten nur dann unterwerfen könne, wenn er vorher ihre Nährmutter Sizilien besetzt hätte.
So geschah es auch.
Als er die Insel Trinakria betreten hatte, sahen die Goten, die sich im Besitz von Syrakus befanden, daß sie ihm nicht die Spitze bieten konnten, und ergaben sich mit ihrem Anführer Sinderith freiwillig dem Belesar.
Als der römische Feldherr also Siziliens sich bemächtigt hatte, schickte er auf die Nachricht hiervon Theodahad seinen Schwiegersohn Ewermud mit einem Heer an die Meerenge zwischen Kampanien und Sizilien, wo sich aus dem weiten Busen des Tyrrhenischen Meeres das brandende Adriatische Meer abzweigt, um sie zu bewachen.
Nach seiner Ankunft daselbst schlug Ewermud bei der Stadt Regium ein Lager auf.
[536] Alsbald aber, da er sah, daß die Lage der Seinigen eine schlimme sei, ging er mit wenigen getreuen Dienern, die darum wußten, zum Sieger, warf sich freiwillig S. 152 dem Belesar zu Füßen und begehrte, dem Kaiser des Römischen Reiches dienstbar zu sein.
Als das Heer der Goten dies erfuhr, rief es, Theodahad sei verdächtig, man müsse ihn vom Thron stürzen und seinen Feldherrn Witiges, der sein Waffenträger gewesen war, zum König erheben.
Das geschah.
Witiges wurde auf den sogenannten Barbarischen Gefilden zum König erhoben, rückte in Rom ein und schickte zuverlässige Männer nach Ravenna voraus mit dem Auftrag, den Theodahad zu töten.
Sie kamen und erfüllten den Befehl; und nach Ermordung des Königs Theodahad kündigte ein Gesandter von Witiges, der sich noch auf den Barbarischen Gefilden befand, dem Volk die Erhebung desselben zum König an.
Inzwischen war das römische Heer über die Meerenge gesetzt und zog nach Kampanien, wo Neapel zerstört wurde, darnach rückte es in Rom ein.
Von hier war wenige Tage vorher Witiges fort nach Ravenna gezogen und hatte sich mit Mateswintha, der Tochter der Amalaswintha und Enkelin des früheren Königs Theodorich, vermählt.
Während er nun sich dem Genuß der neuen Ehe hingab und in Ravenna Hof hielt, verließ das kaiserliche Heer Rom und griff die festen Plätze in beiden Tuszien an.
[536] Als dies Witiges durch Boten erfuhr, schickte er unter Führung Hunilas eine wohlbewaffnete Schar Goten nach Perusia.
Während sie aber hier den Grafen Magnus, der mit einem kleinen Heer drinnen war, durch lange Belagerung bezwingen wollten, wurden sie selbst von einem herbeieilenden S. 153 römischen Heer bezwungen und völlig vernichtet. [537] Auf diese Kunde scharte Witiges, wütend wie ein Löwe, der Goten ganze Heeresmacht zusammen, verließ Ravenna und bedrängte die römischen Festen mit langwieriger Belagerung.
Aber seine Kühnheit war umsonst; [538] nach vierzehn Monaten ließ er ab von der Belagerung der Stadt und rüstete sich zu einem Angriff auf Ariminum.
Aber auch dies wurde vereitelt; er mußte fliehen und zog sich nach Ravenna zurück.
[540] Als er nun hier belagert wurde, ergab er sich ohne Zögern freiwillig dem Sieger mit seiner Gattin Matheswintha und den königlichen Schätzen.
So besiegte der Kaiser Justinian, der Besieger so mancher Völker, das berühmte Reich, das tapferste Volk, das so lange geherrscht, endlich, nachdem es fast 2030 Jahre gewährt, durch seinen getreuen Konsul Belesar.
Den Witiges, der nach Konstantinopel abgeführt wurde, beschenkte er mit der Würde eines Patrizius.
Hier verweilte derselbe noch über zwei Jahre, sich des Kaisers Gunst erfreuend, und schied dann aus der Welt.
Seine Gemahlin Matheswintha aber verband der Kaiser mit seinem Bruder, dem Patrizius Germanus.
[550] Ihnen wurde nach dem Tod des Vaters ein Sohn geboren, der gleichfalls Germanus heißt.
In diesem hat sich das Geschlecht der Anizier mit dem Stamm der Amaler verbunden und berechtigt noch zu Hoffnungen für beide Geschlechter, wenn der Herr es verleiht.
So war bis auf unsere Zeit der Ursprung der Geten, das adelige Geschlecht der Amaler, das waren die Taten der S. 154 tapfren Männer. Dieses ruhmvolle Geschlecht wich vor einem ruhmvolleren Fürsten und ergab sich einem tapfereren Feldherrn, dessen Ruhm in allen Jahrhunderten, in allen Zeiten nicht erlöschen wird; nein, immer wird man den siegreichen Triumphator Justinian und seinen Konsul Belesar Wandaliker, Afrikaner, Getiker nennen. Der du dies liest, wisse, daß ich den Schriften der früheren gefolgt bin, daß ich auf ihren weiten Wiesen wenige Blumen gepflückt habe, um daraus dem Forscher nach dem Maße meiner Kräfte einen Kranz zu flechten. Und nicht soll man glauben, daß ich zugunsten des erwähnten Volkes, weil ich von ihm selbst meinen Ursprung ableite, etwas hinzugefügt habe, außer was ich gelesen oder erfahren habe. Aber auch so habe ich nicht alles aufgenommen, was über sie geschrieben oder erzählt wird, da ich nicht sowohl zu ihrem Ruhm als zu dem des Siegers dies darstelle.
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