XLV.
S. 115 Da sein Bruder Eurich sich mit übergroßer Eile der Herrschaft und Nachfolge versicherte, so fiel ein schrecklicher Verdacht auf ihn. Während dieser und anderer Vorgänge bei den Wesegoten wurde der Kaiser Valentinia [455] hinterlistig von Maximus ermordet, und dieser riß selbst nach Tyrannenart die Herrschaft an sich. Als dies der Wandalenkönig Gizerich vernahm, kam er mit einer Kriegsflotte von Afrika nach Italien, rückte in Rom ein und verwüstete alles. Maximus aber wurde auf der Flucht von einem römischen Soldaten namens Ursus getötet. Nach ihm übernahm auf Befehl des Marcian, des Beherrschers des Ostreichs, Majorian die Herrschaft des Abendlandes. Aber auch er saß nicht lange auf dem Thron; als er gegen die Alanen, die Gallien heimsuchten, sein Heer aufgeboten hatte, wurde er zu Dertona am Fluß Hyra getötet. Nun nahm Severus seine Stelle ein, der im dritten Jahr seiner Regierung zu Rom starb. Als das der Kaiser Leo, der im Osten auf Marcian in der Regierung gefolgt war, sah, schickte er den Patrizius Anthemius als Fürsten nach Rom. Nach seiner Ankunft schickte dieser sogleich seinen Schwiegersohn Rikimer gegen die Alanen, einen ausgezeichneten Mann, der damals wohl der bedeutendste Feldherr war. Beim ersten Kampf besiegte derselbe eine Menge Alanen mit ihrem König Beorgus und schlug sie bis zur Vernichtung. Als nun der Wesegotenkönig Eurich die häufigen Regierungswechsel in Rom sah, suchte er Gallien in seinen unabhängigen Besitz zu bringen. Auf die Kunde hiervon forderte der Kaiser Anthemius sogleich Unterstützung von den Briten. [470] Ihr König Riotimus kam mit 12000 Mann nach der Stadt Biturigas, wo er S. 116 landete, und wurde dort aufgenommen. Gegen sie führte der Wesegotenkönig Eurich ein zahlloses Heer und kam ebenfalls dorthin. Lange kämpfte er mit dem Britenkönig Riotimus; doch schlug er ihn in die Flucht, noch ehe die Römer sich mit ihm vereinigen konnten. Nach dem Verlust eines großen Teiles seines Heeres floh jener, mit so vielen er konnte, und kam zu dem benachbarten Volk der Bugundzonen, die damals mit den Römern verbündet waren. Der Wesegotenkönig Eurich aber besetzte die Stadt Areverna in Gallien, da der Kaiser Anthemius schon gestorben war. [4 72] Als dieser nämlich mit seinem Schwiegervater Rikimer in grausamem Bürgerkrieg begriffen war und dabei Rom bedrängt hatte, wurde er von demselben getötet und hinterließ sein Reich dem Olybrius. In dieser Zeit starb in Konstantinopel Aspar, der erste der Patrizier, von vornehmer gotischer Abkunft, mit seinen Söhnen Ardabures und Patriziolus, von denen der erstere ehemaliger Patrizius, der letztere aber Cäsar und Schwiegersohn des Kaisers Leo geworden war, im Palast von den Schwertern der Verschnittenen durchbohrt. [473] Als Olybrius schon im achten Monate nach seinem Regierungsantritt starb, wurde Glycerius zu Ravenna mehr durch Anmaßung als durch Wahl Kaiser. Ihn stieß noch vor Ablauf des Jahres Nepos, der Schwestersohn des ehemaligen Patrizius Marcellinus, vom Thron und machte ihn in der römischen Hafenstadt zum Bischof. Als Eurich diese vielen Thronwechsel und Änderungen sah, bemächtigte er sich, wie oben gesagt, der Stadt Areverna, wo damals Ekdicius Anführer der Römer war, ein sehr vornehmer Senator und Sohn des früheren Kaisers Avitus, der auf wenige Tage die Herrschaft an sich gerissen gehabt hatte; er, der wenige Tage vor Olybrius das Reich besessen, S. 117 trat nämlich freiwillig zurück in Placentia und wurde dort zum Bischof geweiht. Sein Sohn also, Ekdicius, kämpfte lange mit den Wesegoten, und da er ihnen nicht die Spitze bieten konnte, überließ er das Land und besonders die Stadt Areverna dem Feind und zog sich in sichere Gegenden zurück. Wie das der Kaiser Nepos hörte, befahl er Ekdicius, Gallien zu verlassen und zu ihm zu kommen, und setzte an seine Stelle den Heermeister Orestes. Dieser übernahm das Heer, zog gegen die Feinde aus und kam von Rom bis nach Ravenna. [475] Hier machte er halt und erhob seinen Sohn Augustulus zum Kaiser. Auf die Kunde davon floh Nepos nach Dalmatien und lebte dort, wo schon Glycerius, der frühere Kaiser, das Bistum von Salona hatte, zurückgezogen von der Regierung.
